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Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)

Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)

Titel: Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)
Autoren: Eva Völler
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Beispiel wie auf dem Geburtstag von Jennifer? Wo ich auf die Torte brechen musste?«
    »Genau. Manche Feiern sind wirklich zum Ko … ähm, Brechen.«
    Aber hingehen musste man trotzdem, sonst musste man sich auf lange Sicht einen Wohnwagen besorgen, wenn man nachts im Trockenen schlafen wollte. An der nächsten Ampel holte ich mein Handy raus und wählte die Nummer der Bank. Die Unterlagen hatte ich auf dem Beifahrersitz liegen. Bloß, damit ich sie nicht vergaß. Oder etwa auf die Idee kam, das Ganze auf einen anderen Tag zu verschieben. Womöglich auf einen Tag im Winter, wenn es nicht nur regnete, sondern auch fror. Unter anderem in den Wasserleitungen.
    Diesmal meldete sich eine echte Frauenstimme, nicht nur die vom Band. Ich räusperte mich ein paar Mal hektisch und fragte dann nach einem Termin mit unserem Herrn Kleinlich. Natürlich sagte ich nicht unserem , sondern einfach nur mit Herrn Kleinlich .
    »Worum geht es denn?«
    »Ich war neulich schon mal da. Mein Name ist Wingenfeld. Annabell Wingenfeld.«
    »Hatten Sie heute früh hier angerufen? Ich glaube, wir haben Ihre Nummer auf unserem Anrufbeantworter. Und so ein Jaulen, als würde ein Tier gequält.«
    »Oh, ja, das war mein Hund. Ich meine, ich habe angerufen. Aber gejault hat der Hund. Und ich habe ihn nicht gequält. Er tut immer nur so.«
    Pause, dann: »Und wie kann ich Ihnen weiterhelfen?«
    »Es geht um eine … äh …« Es fiel mir schwer, das diskriminierende Wort auszusprechen, in dem sich der marode Zustand meines Hauses und mein Mangel an Bargeld manifestierten. »Hypothek. Oder Grundschuld. Oder was auch immer für mich und mein Haus besser ist.«
    »Ah, ich verstehe. Einen Moment bitte.«
    Ich wartete einen Moment, dann noch einen, und dann hätte ich am liebsten wieder aufgelegt, doch bevor ich das tun konnte, meldete sich die nette Frauenstimme wieder. »Heute Nachmittag um sechzehn Uhr würde es Herrn Kleinlich gut passen.«
    »Prima, das freut mich«, log ich. »Dann komme ich also um vier.« Erleichtert legte ich auf. Der erste, wichtigste Schritt war getan. Jetzt gab es kein Zurück mehr!
    »Mama, was ist eine Hypothek?«
    »Oh, das ist …« Ich überlegte gründlich, wie ich es ihm am besten erklärte, möglichst kindgerecht, aber trotzdem fundiert und korrekt. »Weißt du, wenn man ein Haus hat, und dieses Haus sehr … ähm, viele Reparaturen nötig hat, aber kein Geld da ist, um all diese Reparaturen …« Nein, das war blöd. Ich fing von vorne an. »Manchmal braucht man die Hypothek auch, wenn man ein Haus bauen oder kaufen will, also wenn man ein Haus will, aber kein Geld hat, um …« Himmel noch mal, das musste sich doch einfacher in Worte fassen lassen! »Also, stell dir vor, jemand möchte ein Haus kaufen. Oder an seinem Haus, das er schon hat, das Dach neu decken, weil es da ständig reinregnet. Und wenn dafür eigentlich überhaupt kein Geld übrig ist, weil die ganzen Ersparnisse für Führerscheine und Klassenfahrten draufgehen, gibt es die Möglichkeit, dass man bei der Bank …«
    Mein Handy klingelte und befreite mich von der Notwendigkeit, meinem jüngsten Kind zu erklären, dass es noch andere Gründe für Bauchschmerzen gab als eine bevorstehende Einschulung.
    »Ja, Wingenfeld?«
    »Hallo Annabell, hier ist Lieselotte! Ich will euch besuchen kommen! Nächste Woche schon! Ist das nicht toll? Ich freu mich schon wahnsinnig auf euch alle!«
    Jetzt kriegte ich wirklich Bauchschmerzen.
    *
    Als Kind hatte ich oft darüber nachgedacht, warum meine Mutter immer Lieselotte unter die Postkarten schrieb, die sie mir mehr oder weniger regelmäßig schickte (eher weniger regelmäßig, rückblickend betrachtet).
    Statt Liebe Grüße, Deine Lieselotte hätte sie beispielsweise auch einfach Liebe Grüße, Deine Mama darunterschreiben können. Oder Deine Dich liebende Mutter . So eine Karte mit Deine Dich liebende Mutter hatte unsere Klassenoberzicke Ines einmal von ihrer Mutter aus der Kur bekommen, und die war gerade mal vier Wochen weg gewesen, nicht vier Monate. Oder acht Monate. Oder drei Jahre, so wie im Moment. Ich hörte nur sporadisch von meiner Mutter. Sie telefonierte nicht gern, lieber schrieb sie eine Karte. Wenn überhaupt. Vor ein paar Jahren hatte sie die Segnungen des Internets entdeckt, seither kam ab und zu auch eine digitale Grußkarte oder eine Mail.
    Die letzte hatte ich zu Weihnachten erhalten, genau wie ungefähr hundertzwanzig andere Leute, die im Verteiler standen; der Text hatte gelautet: Viele liebe
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