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Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)

Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)

Titel: Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)
Autoren: Eva Völler
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aus, obwohl man natürlich nie wissen konnte.
    »Kann ich das Geld auch überweisen?«
    Er grinste mich an, wobei seine Zähne sich weiß gegen den dunklen Bartschatten abhoben. »Klar, das müssen Sie sowieso. Sie kriegen dann Bescheid von der Behörde.«
    »Ich lasse das Bremslicht reparieren, großes Ehrenwort. Darf ich jetzt weiterfahren?«
    »Sicher. Gute Fahrt noch.« Er tippte an eine nicht vorhandene Mütze und schlenderte lässig zu seinem Wagen zurück. Ich wartete vorsorglich, bis er weggefahren war. Sonst hätte er womöglich noch das Knattern vom Motor meines Wagens mitgekriegt und mir gleich die nächste Verwarnung verpasst. Seit ein paar Wochen machte das Auto komische Geräusche. Ich musste so oder so in die Werkstatt, das kaputte Bremslicht war dabei die geringste meiner Sorgen. Ob der Hauskredit, den ich beantragen wollte, vielleicht auch für die Reparatur eines alten Autos verwendet werden durfte? Frustriert ließ ich den Motor an und fuhr weiter, um Timo endlich im Kindergarten abzuliefern.
    *
    Vor der Tür zum Gruppenraum der Pusteblumen herrschte heilloses Gedränge. Die kleineren Kinder hockten auf den Garderobenbänkchen und ließen sich von den Müttern die Straßenschuhe aus- und die Hausschuhe anziehen; die größeren konnten es allein, brauchten dafür aber mehr Platz und Ruhe, woran es entschieden fehlte. Ich sah Timo zu, wie er Jacke und Schuhe auszog und fühlte mich uralt. Die meisten Mütter hier waren um die zehn Jahre jünger als ich, mit meinem Nachzügler von Nesthäkchen war ich mit Abstand die Älteste. Es gab sogar ein paar Omas hier, die jünger waren als ich, zum Beispiel die Mutter von Janin ohne e.
    Eines von den Dreijährigen fing an zu heulen, nachdem die Mutter winkend den Kindergarten verlassen hatte. Ein Fünfjähriger hänselte es.
    »Lisa ist ein Baby, Lisa ist ein Baby! Macht noch in die Windel, naanananaanah!«
    Chantal, die schon mit Schuhe aus- und Hausschuhe anziehen fertig war, ging sofort dazwischen. Sie verfügte über ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden, was vermutlich daher kam, dass ihre Mutter so oft von Olaf-Arsch vermöbelt wurde und die Kleine es mitkriegte.
    »Das ist nicht wahr! Lisa braucht überhaupt keine Windel mehr!«
    Timo schlug sich sofort auf ihre Seite.
    »Hör bloß auf, die Lisa zu ärgern!«, pflaumte er den Übeltäter an.
    Vor der geballten Präsenz der beiden Vorschulkinder kniff der Fünfjährige und verzog sich in den Gruppenraum. Ich küsste Timo zum Abschied, strich Chantal über den Kopf und ging zurück zum Auto. Auf dem Parkplatz sah ich Janin, sie trug eine riesige Sonnenbrille, obwohl der Himmel verhangen war. Als sie mich bemerkte, drehte sie rasch den Kopf weg und ging schnell weiter. Wut erfasste mich, und ich nahm mir vor, in einer ruhigen Minute noch einmal mit ihr zu reden. So konnte es nicht weitergehen! Finanziell war sie bestimmt nicht auf den Typen angewiesen, ich wusste genau, dass er arbeitslos war und das Meiste von dem, was er an Hartz IV bezog, in Alkohol, Zigaretten und Sportwetten umsetzte.
    Auf der Fahrt zur Redaktion war das Knattern des Wagens wieder stärker zu hören. Benedikt hatte gemeint, es liege am Vergaser, und er hatte schon angekündigt, es sich zusammen mit einem Kumpel ansehen zu wollen. Vielleicht konnten wir das Geld für die Werkstatt doch noch sparen.
    Vor dem Zeitungsgebäude waren wie üblich alle Parkplätze belegt, ich war mal wieder die Letzte. Feste Parkplätze hatten nur der Verleger und der Chefredakteur, alle anderen mussten sich um die freien Stellflächen balgen. Ich kurvte zwei Mal um den Block, bis ich endlich eine Parklücke gefunden hatte. Eigentlich hätte ich dafür einen Anwohnerparkausweis benötigt, doch für die paar Stunden würde mich schon niemand aufschreiben. Spätestens in der Mittagspause gab es wieder freie Parkplätze vor dem Zeitungshaus, einige Kollegen arbeiteten nur halbe Tage.
    Ich wollte gerade aussteigen, als langsam der Wagen von dem Beamten vorbeirollte, der mich vorhin aufgeschrieben hatte. Heute galt anscheinend Murphys Gesetz. Konnte er nicht irgendwas anderes tun, zum Beispiel echte Verbrecher jagen?
    Hastig ließ ich mich wieder hinters Steuer sinken und tat so, als würde ich was in meiner Handtasche suchen. Zum Beispiel meinen Anwohnerparkausweis.
    Doch dann sah ich, wie sein Wagen weiter vorn stehen blieb, und ich spürte auch die Blicke, die mich im Rückspiegel fixierten. Klar, er wusste ja dank meiner Papiere, wo ich wohnte, da konnte
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