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Lebensversicherung (German Edition)

Lebensversicherung (German Edition)

Titel: Lebensversicherung (German Edition)
Autoren: Harald Schnare
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Blut.
    Das sind Demonstranten für die Todesstrafe.
    Andere singen auch. Sie sind dagegen.

2.
     
    Der Außenminister eines
mitteleuropäischen Landes versuchte, eine Begnadigung zu erreichen.
    Es waren zwei Brüder, ehemals aus
seinem Land, für die er sich einsetzte. Aber er hatte keine Chance.
    Die zwei Brüder warteten schon lange. Jahre. Heute starb der
erste, nächste Woche sollte der zweite sterben.
    Der erste hatte Hoffnung, denn er durfte die Todesart wählen.
Spritze oder Gas. Er wählte Gas, denn das Vergasen wird in den USA als
unmenschlich angesehen.
    Ein Widerspruch? Nein.
    Gas wirkt langsam und der Todeskampf ist hässlich. Er zieht
den Körper in Mitleidenschaft, und deshalb hoffte er auf Begnadigung. Denn
Delinquenten müssen unversehrt bleiben.
    Hoffnungslos. Das Urteil wurde bestätigt und vollstreckt.
    Mit einer Ausnahme - kein Gas, jetzt Todesspritze.
    Den Anforderungen ist genüge getan, der Körper bleibt
unberührt.
     
    Im Land war das Publikumsinteresse geweckt. Die Jungens waren
doch schließlich dort geboren. Sie sprachen zwar die Sprache nicht, aber noch
mit dem Pass des Heimatlandes waren sie verurteilt worden, damals, wegen Mordes
und Raub an einer alten Frau. Natürlich, Kopf ab, da stimmen viele zu, ein
bisschen Todesstrafe muss sein.
    Aber, fragten sich auch einige, warum lässt man sie so lange
warten? Warum so lange?
    Fünf, zehn, fünfzehn, zwanzig Jahre? Noch länger?
    Man kann das doch gleich machen!
    Im Fernsehen wurden die Gräber gezeigt, draußen auf dem
Gefängnishof, abgeschlossen von der Öffentlichkeit, alle in Reihe
nebeneinander.
    Nur Nummern, keine Namen.
    Ein Kreuz für Execution .
     
    Der zweite Bruder versuchte dasselbe in der nächsten Woche.
Auch er wählte die Gaskammer - und bekam sie.
    Die Zeugen schilderten seinen Todeskampf. Sie beschrieben,
wie das Gas allmählich emporsteigt, wie der verurteilte Körper ruhig im Stuhl
sitzt, wartend, bis das Gift den Hals erreicht und Kopf und Mund trotz
Knebelung dem Gas zu entkommen versuchen. Sie zeigten uns durch Gebärden, wie
er röchelt und hustet, erklärten uns, warum er Schaum erbricht und blau wird.
    Sie nannten uns die Todeszeit und verschwiegen doch Gerüche
und Geräusche des Sterbens.
    Später stellte einer die Frage: Warum musste dieser im Gas so
elend sterben, während der andere die Spritze bekam?
     
    Nur einer fragte.
     
    Warum?
     
    Keine Antwort.

3.
     
    Der Marktplatz hatte sich bereits gefüllt. Es war früh an
diesem Februarmorgen und die Sonne tauchte den Ort noch in weiches Licht.
    Karl war von der Stadt heraufgekommen mit dem Bus. Eigentlich
wollte er jetzt etwas essen.
    Über dem Bauch hing, wie immer, griffbereit seine Kamera.
Ohne dass er es wirklich wahrnahm, hielt er sie ganz fest. Ein Lächeln zog sich
über sein Gesicht. Er hatte es gut getroffen. Die Tochter war groß,
selbständig, und seine Frau wollte lieber die Winterlinge im Garten sehen als
schlechte Straßen und Moskitos. Früher waren sie jahrelang gemeinsam gereist,
hatten sogar einmal die halbe Welt umsegelt.
    Beide hatten viel gesehen, doch Karl noch nicht genug. Ihn
störten schlechte Straßen nicht, er aß, was es gab, und schlief, wo es eben
ging. Wie heute Nacht im Bus. Sprachschwierigkeiten hatte er immer gemeistert.
Wo es mit Englisch nicht weiterging, da half Französisch oder Spanisch.
Manchmal sogar Deutsch. Hier jedoch war `s nicht so einfach. Man konnte es ja
nicht einmal lesen.
    Karl fragte sich, warum sich die Menschen so drängten.
    In der Mitte des Platzes war Raum geblieben, den Uniformierte
jetzt umstellten. Karl erfreute sich an den Farben. Seine Kamera war ihm Mittel
zum Zweck geworden. Mit ihr fing er seine Motive ein, die er dann, zu Hause,
auf die Leinwand brachte. Aquarellfarben und Block hatte er zwar dabei, aber
seine große Leidenschaft war die Ölmalerei.
     
    Karl war so tief in seine Farben versunken, dass er den
ersten Schuss fast verpasste. In den Kreis der Uniformierten waren drei Männer
gedrückt worden. Er hatte nicht gesehen, wie sie auf die Knie gezwungen worden
waren und kaum bemerkt, wie die Stimmen auf dem Platz ruhiger wurden. Der erste
Schuss hatte den ersten Mann im Genick getroffen. Karl zuckte erst jetzt
zusammen. Er sah die Pistole am Hals des zweiten Mannes und das Vorschnellen
des Kopfes, noch bevor er den Schuss hörte.
    - Ils sont des assassins !
    Mit einem Ruck drehte Karl seinen Kopf über die Schulter. So
schnell, dass es ihm bis in den Hintern wehtat. Nichts verstand er
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