Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lebensversicherung (German Edition)

Lebensversicherung (German Edition)

Titel: Lebensversicherung (German Edition)
Autoren: Harald Schnare
Vom Netzwerk:
Monate gemeinsamen
Erlebens machten uns zu Freunden, und wir nutzten jede Gelegenheit, in Verbindung
zu bleiben.
    Ich hatte Joseph gestern noch in seinem Labor besucht, wo er
mir von seiner Arbeit und den, wie er hoffte, glänzenden Karriereaussichten
berichtete. Gern hätte ich ihn mit zu Karl genommen, aber seine Aufgabe nahm
ihn sehr in Anspruch. Zudem hatte er seinen Job erst vor ein paar Tagen
angetreten.
    Karl erwartete mich auf dem Boot. Als ich das Schiff betrat,
bekam ich ein Gefühl in den Bauch, wie man es wohl empfindet, wenn man eine
Geliebte nach langen Jahren wiedersieht, die man aufgegeben, aber nie vergessen
hat.
    Es fiel mir leicht, mich zu erinnern. Wie viel Arbeit,
Sorgen, Gedanken und Vertrauen hatte ich in das Schiff gesteckt, bevor ich es
verkaufte. Karl hatte sich gleich in die Lady verliebt gehabt, und ich
war froh gewesen, dass er sie bekam. Unsere Wege trennten sich damals hier,
nahe Wilmington, North Carolina.
     
    Jetzt saßen Karl und ich am Strand von Wrightsville Beach,
wohin wir mit dem Dinghi gefahren waren, wie früher. Wir hatten uns viel zu
erzählen.
    Karl hatte sein Erlebnis in China noch nicht recht
verarbeitet. Ich sagte ihm, dass ich darüber gelesen hatte. Es war ein Bericht
gewesen mit Fotos, deren Erinnerung mir Karls Schilderung umso farbiger werden
ließ.
    - Du weißt, Karl, was soweit weg ist, interessiert die
Leute nur am Rande.
    Ich sah ihn an und merkte, damit war er nicht einverstanden.
    - Es ist wie mit der Bratwurst, die auf dem Markt in Peking
platzt. Es berührt sie nicht.
    Karl lachte.
      - Du hast wohl recht. Wir hinterfragen nur, was uns
betrifft, nicht wahr?
    Er wies auf ein paar Kinder, die im Sand spielten.
    - Immer noch dasselbe. Schau dir die Jungs an.
    Ich nickte.
    - Das nimmt bei uns drüben auch keiner wahr. Und hier ist es
normal.
    Ich habe mich mit vielen Eltern unterhalten. Die wenigsten
haben nachgefragt. Es ist so. Die Buben werden gleich nach der Geburt
beschnitten. Nur wenn die Eltern Einspruch erheben, geschieht es nicht. Bei uns
wäre das Körperverletzung.
    - Und ob!
    Karl machte eine Handbewegung in Richtung Stadt.
    - Weißt du was Dick gesagt hat? Die haben nachher so viel
Gefühl wie ich in der Fußhacke .
    Karl betrachtete seine Füße.
    - Und du weißt, was der für Fersen hatte!
    Wir beide lachten.
    - Aber es ist viel ernster. Weißt du, wofür sie die
Vorhäutchen brauchen? Für Hauttransplantationen. Das junge Gewebe ist dazu
bestens geeignet. Es ist ein Riesengeschäft, mein Lieber .
    - Ich weiß .
    Karl rümpfte die Nase.
    - Das ist das eine. Aber was noch schlimmer ist, die
wissen gar nicht, was eine Beschneidung ursprünglich bedeutete.
    Ich nickte in Richtung Strand.
    - Und die Moral ist dann das Deckmäntelchen. Guck dir die
Kleinsten an. Alle haben Höschen an. Und die Mädchen, sobald sie krabbeln
können, sogar Bikinioberteilchen. Dann sieht man nichts, und das Spätzchen wird
nicht wund im Sand. Und siehst du mal ein nacktes Kind, dann ist´s bestimmt ein
deutsches.
    - So ist es .
    Karl stand auf.
    - Erinnerst du dich noch an Fuerteventura? Am Strand? Wir
ankerten zusammen mit den Amis. Wollten baden, weißt du noch?
    Und ob ich das noch wusste. Es war peinlich gewesen. Karl
setzte sich wieder.
    - Sie hatten ihren Jungen und das Mädchen dabei. Überall
lagen unsere Pauschaltouristen herum. Nackend, die meisten ältere Semester.
Ohh, und viele waren sehr alt. Die Beine breit und rot wie Krebse. Den Jungen
vergesse ich nie: Mum, hat er gesagt, Mum, I wouldn´t do that. I´m American!
    - Mit den Kleinen da hat das aber nichts zu tun, Karl.
    - Nein, natürlich nicht. Es fiel mir nur so ein.
    Karl schüttelte den Kopf. Ich fragte
    - Aber du hast recht. Ich hörte, sie räumen bei uns und auf
der Insel die Säuglinge aus? Begraben nur die Hülle? Verdammt!
    Karl zog die Brauen hoch.
    - Ja, die postnatalen Organe sollen angeblich zu
Studienzwecken dienen. Noch ein Geschäft. Du weißt doch selbst, wie lange man
solch´ junges Gewebe am Leben erhalten kann.
    Ich stand auf und klopfte mir den Sand von den Beinen.
    - Komm, Karl, lass  uns über ´was anderes reden.
     
    Zurück auf dem Schiff, schaute ich mir alles an. Karl hatte
die Lady tadellos in Schuss. Das Teakdeck sah herrlich aus und die
Einfassungen aus Mahagoni waren frisch lackiert.
    - Karl, die Kratzer hast du aber nicht weggeschliffen!
    - Nein .
    Karl strich mit dem Finger über die Kerben.
    - Sie sind zu tief. Dieser verdammte Köter.
     
    Wir waren von den Bahamas
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher