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Lebenslang

Lebenslang

Titel: Lebenslang
Autoren: Peter Schwindt
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schnell.« Seine Stimme ist jetzt so leise, dass nur ich dieses Geständnis hören kann. »Wenn der erste Rausch vorüber ist, merkt man, wie viel einen vom anderen trennt. Monique ist sogar schon zweimal geschieden.«
    »Und du fängst an zu verstehen, warum das so ist.«
    Er nickt vielsagend und leert seine Flasche. Ich stelle sie in den Kasten und gebe ihm aus dem Kühlschrank eine neue.
    »Erinnerst du dich noch an Dagmar?«, fährt er fort.
    »Oliver, ich kann mich zwar unmöglich an jede Frau erinnern, die du seit deiner Trennung von Carola hattest«, sage ich, als sei diese Feststellung der Erwähnung wert. »Aber Dagmar habe ich nicht vergessen. Wie alt war sie? Zwanzig?«
    »Achtzehn«, raunt er mir zu. »Sie hat mich in den Wahnsinn getrieben. Aber anders, als du denkst.« Er wirft verstohlen einen Blick über die Schulter. Monique beachtet uns nicht. Sie scheint langsam mit den Matuschkas warm zu werden. »Vielleicht war ich zu alt. Vielleicht war sie zu jung. Ich weiß nicht, was sie in mir gesehen hat, aber irgendwann hat sie mich behandelt, als wäre ich ein seniler Trottel. Herrgott, ich bin zweiundvierzig! Ich musste mir das nicht gefallen lassen!« Oliver wendet das Fleisch. Das Fett zischt in der Glut. »Hat sie eigentlich schon einen Freund? Julia, meine ich.«
    »Mit zehn? Machst du Witze?«
    »Lach nicht«, sagt er ernst. »Die Mädchen sind heutzutage weiter als zu unserer Zeit.«
    »Sag mal, sollen wir nicht den Fernseher hier auf die Terrasse stellen?«, ruft Robert. »In einer halben Stunde beginnt die Eröffnungsfeier, und das Wetter ist so schön.«
    »Ja, wir haben keine Lust, uns ins Wohnzimmer zu setzen«, sagt Claudia, rückt ihre Sonnenbrille zurecht und lehnt sich in den Gartenstuhl.
    »Ist ein bisschen hell hier draußen, meint ihr nicht? Wir werden nichts sehen«, sagt Oliver. »Außerdem ist das Fleisch jetzt gar.«
    »Was ist mit Wieland?«, will ich von Astrid wissen.
    »Er hat gesagt, wir sollen schon ohne ihn anfangen.« Sie verteilt Servietten und schneidet das Brot an. Ich gehe hinein, schalte den Fernseher an und drehe den Ton laut.
    Zwei Kommentatoren sprechen mit Mikrofonen in der Hand in die Kamera. Im Hintergrund ist die voll besetzte Tribüne des Stadions zu sehen. Dann gibt es einen Schnitt, und es folgt ein Bericht über die Vorbereitung der deutschen Nationalmannschaft.
    »Und was ist mit Julia?«, rufe ich.
    »Was soll mit ihr sein?« Astrid sagt das, als hätte ich eine rhetorische Frage gestellt. »Sie ist noch nicht zurück.«
    Ich seufze. »Hast du die Nummer von Sandras Eltern?«
    »Neben dem Telefon müsste mein Adressbuch liegen.« Der Plastikstuhl scharrt über den Boden, als sie sich hinsetzt.
    Ich schlage die kleine Kladde beim Buchstaben H auf und wähle die Nummer. Es klingelt dreimal, dann wird abgenommen.
    »Homburger«, meldet sich eine Frauenstimme.
    »Fabian Steilberg, der Vater von Julia.«
    »Oh, hallo.«
    »Hallo. Sagen Sie mal, steckt unsere Tochter noch bei Ihnen?«
    »Nein«, kommt es verwundert zurück. »Julia ist schon vor über zwei Stunden gegangen.« Plötzlich ist ihre Stim-me gedämpft, sie hat die Hand auf die Muschel gelegt. »Sandra sagt, zum Supermarkt, weil sie noch irgendetwas einkaufen sollte. Stimmt etwas nicht?«
    »Nein, nein. Es ist alles in Ordnung«, sage ich, doch das ist es eigentlich nicht. »Danke jedenfalls. Einen schönen Abend noch.«
    »Ihnen auch.«
    Ich lege nachdenklich auf. Niemand braucht zwei Stunden, um einen Beutel Zwiebeln und drei Liter Milch zu kaufen.
    »Und?«, fragt Astrid, als ich hinaus auf die Terrasse trete. Oliver verteilt das Fleisch. Besteck klappert auf Geschirr.
    »Julia ist nicht bei den Homburgers.«
    »Was heißt das: Sie ist nicht bei den Homburgers?« Astrid lässt Messer und Gabel sinken. Auch die anderen halten beim Essen inne.
    »Sandras Mutter sagt, dass Julia schon vor über zwei Stunden zum Supermarkt gegangen ist.« Ich versuche, mir die Unruhe nicht anmerken zu lassen. Aus dem Fernseher tönt der Jubel der Zuschauermasse, als eine Fanfare erschallt und die Eröffnungsfeierlichkeiten beginnen. Wir schweigen.
    Ich taste meine Hosentasche ab und finde den Schlüsselbund.
    »Nimmst du das Auto?«, fragt mich Astrid.
    »Das Fahrrad. Damit bin ich schneller.«
    »Gibt es etwas, das wir tun können?« Ich sehe Monique überrascht an. Ihr Gesicht zeigt echte Sorge.
    Astrid wirft ihre Serviette neben den Teller, steht auf und geht zum Telefon. »Vielleicht hat Julia bei einer anderen
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