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Lebendig und begraben

Lebendig und begraben

Titel: Lebendig und begraben
Autoren: Finder Joseph
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violett. Ein paar Venen auf seinem kahlen Schädel pulsierten so heftig, dass ich fürchtete, in Kürze einen Leichenbeschauer in mein Büro holen zu müssen. »Mit wem haben Sie geredet?«, wollte er wissen.
    »Mit niemandem. Nur habe ich meine Hausaufgaben wirklich gemacht. Ich weiß nämlich auch ganz gern, mit wem ich Geschäfte mache. Und ich mag es überhaupt nicht, wenn man mich verarscht.«
    Als Richter aufsprang, stieß er den Stuhl zurück, einen dieser teuren Humanscale-Bürostühle, die die Dot-Com-Leute dagelassen hatten. Er krachte auf den Boden und schlug eine sichtbare Delle in das alte Parkett. An der Türblieb Richter noch einmal stehen. »Wissen Sie, für einen Kerl, dessen Vater wegen Aktienschwindels im Knast sitzt, benehmen Sie sich ganz schön arrogant.«
    »Da haben Sie nicht ganz unrecht«, räumte ich ein. »Entschuldigen Sie, dass ich Ihre Zeit verschwendet habe. Sie finden hoffentlich allein hinaus?« Hinter ihm stand Dorothy mit verschränkten Armen.
    »Victor Heller war … der größte Abschaum der Erde!«, stieß er hervor.
    »Ist«, korrigierte ich ihn.

4. KAPITEL
    »Sie zapfen also keine Telefone an«, erklärte Dorothy, die mit nach wie vor verschränkten Armen in mein Büro stapfte.
    Ich lächelte und zuckte die Achseln. »Ich vergesse immer wieder, dass Sie mithören. Irgendwann bringt mich das noch in Schwierigkeiten.« Unsere Vereinbarung beinhaltete, dass sie alle meine Klientengespräche mittels der IP-Video kamera , die in dem riesigen Bildschirm auf meinem Schreibtisch eingebaut war, verfolgte.
    »Sie zapfen also keine Telefone an«, wiederholte sie und verzog die Lippen zu einem beinahe höhnischen Grinsen. »Soso.«
    »Jedenfalls im Allgemeinen nicht«, erklärte ich.
    »Also bitte!«, erwiderte sie. »Sie engagieren sogar Leute, die das machen!«
    »Eben.«
    »Was zum Teufel sollte das da eben eigentlich?«, fuhr sie mit einem giftigen Blick fort.
    Dorothy und ich hatten bei Stoddard Associates in D. C. zusammengearbeitet, bevor ich nach Boston gezogen undsie einfach mitgenommen hatte. Sie war eigentlich kein Computergenie. Es gab ganz bestimmt fähigere Leute auf diesem Gebiet, aber Dorothy kannte das Feld der digitalen Spurensicherung in- und auswendig. Sie hatte neun Jahre lang bei der National Security Agency gearbeitet, und die heuern nicht gerade jeden X-Beliebigen an. Und so sehr sie ihre Arbeit dort auch verabscheut hatte, man hatte sie ausgezeichnet ausgebildet. Wichtiger war jedoch, dass niemand so hartnäckig war wie Dorothy. Sie gab einfach nicht auf. Und außerdem war niemand so loyal wie sie.
    Obendrein war sie reizbar, geradeheraus und kein sonderlich guter Teamspieler, weshalb NSA und Dorothy Duval eine lausige Paarung abgaben. Noch eins der Dinge, die ich an ihr mochte: Sie hielt nie mit etwas hinter dem Berg. Sie liebte es, mich zu tadeln, mich vorzuführen und mich zu widerlegen, und ich genoss das selbst auch. Mit ihr war wirklich nicht gut Kirschen essen.
    »Sie haben ja gehört, was ich gesagt habe. Ich mag keine Lügner.«
    »Sie sollten darüber wegkommen! Wir brauchen Aufträge, und Sie haben in der Zeit hier mehr Jobs ausgeschlagen, als Sie angenommen haben.«
    »Ich weiß Ihre Sorge zu schätzen«, gab ich zurück, »aber Sie brauchen sich über die Einkünfte der Firma nicht den Kopf zu zerbrechen. Ihr Gehalt ist garantiert.«
    »Solange, bis Heller Associates bankrott gehen und Ihnen die laufenden Kosten über den Kopf wachsen, weil Sie kein Einkommen haben. Ich werde nicht kleinlaut vor Jay Stoddard zu Kreuze kriechen, und nach Washington ziehe ich auch nicht zurück.«
    »Machen Sie sich deshalb keine Sorgen.«
    Ich hatte eng mit Dorothy zusammengearbeitet, fast schon intim eng, und doch wusste ich so gut wie nichts über ihrPrivatleben. Sie sprach nie darüber, und ich stellte keine Fragen. Ich wusste nicht mal, ob sie Männer oder Frauen bevorzugte. Jeder hat das Recht auf seine Privatsphäre.
    Sie war eine attraktive, hinreißende Frau mit kaffeefarbener Haut, schimmernden braunen Augen und einem anziehenden Lächeln. Sie kleidete sich stets elegant, obwohl sie das nicht hätte tun müssen, weil sie nur selten mit Klienten zusammenkam. Heute trug sie eine changierende, lilafarbene Seidenbluse, einen engen schwarzen Rock und hochhackige Schuhe. Ihr Haar war extrem kurz geschnitten, so kurz, dass ihr Kopf fast schon kahl wirkte. Bei den meisten Frauen hätte das etwas bizarr gewirkt, aber an ihr sah es irgendwie gut aus. An ihren
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