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Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst

Titel: Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst
Autoren: W Mass
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kann Geheimnisse inzwischen besser für mich behalten.«
    »Gefällt es dir?«, will Mom wissen.
    Ich werfe ihr die Arme um den Hals. »Es ist toll!«
    »Ich habe es auf dem Dach ausprobiert. Der Blick ist ein bisschen verschwommen wegen der vielen Lichter, aber es hat besser funktioniert, als ich erwartet hatte. Tut mir leid, dass wir es nicht hierher mitnehmen konnten. So weit entfernt von der Stadt sieht man die Sterne viel klarer.«
    »Du kannst es nächstes Jahr mitnehmen«, sagt Grandma. »Dreh das Foto mal um.«
    Ich lege es auf meinem Handteller auf die andere Seite. Hintendrauf klebt ein Haftzettel mit den Worten Stiftung für Himmelsforschung, Mitgliedschaft für ein Jahr.
    »Das ist mein Beitrag«, sagt Grandma. »Du kannst jederzeit in ihr Gebäude, wenn du Recherchen anstellen oder dich mit Gleichgesinnten austauschen willst. Es liegt allerdings mitten in der Stadt, du kommst also nur per U-Bahn oder Bus dorthin.«

    »Ist das in Ordnung?«, erkundigt sich Mom. »Ich könnte es einrichten, dass du hingefahren wirst, wenn dir das lieber ist.«
    Ich zögere einen Moment, dann sage ich: »Nein, das geht in Ordnung. Ich schaffe das jetzt. Ich brauche ja nur die Metrocard.«
    »Bist du dann bereit für mein Geschenk?«, fragt Lizzy und wippt voller Vorfreude in den Knien auf und ab.
    Ich nicke und beiße schnell noch mal von meinem Sandwich ab. Lizzy greift in ihre Strandtasche und holt einen Karton heraus, der in den Sonntagscomic der vergangenen Woche eingewickelt ist. Ich reiße ihn auf und sehe ein kleineres, unregelmäßig geformtes Päckchen vor mir, vier meiner Lieblingscomics und den neuen Doppelband von Betty and Veronica. Lizzy lacht. »Den hab ich für dich besorgt, nur um dir zu beweisen, dass Leute ihn auch ohne den Werbezettel kaufen würden.«
    »Das beweist nicht unbedingt das Gegenteil von dem, was ich gesagt habe. Du hast den Zettel ja gesehen!«
    »Pff, ein zu vernachlässigendes Detail. Pack den Rest aus.«
    Ich öffne das kleinere Päckchen und finde die übliche Auswahl an Süßigkeiten: Twizzlers, Skittles, Fun Dip, Bottle Caps, Runts und zwei Peppermint Patties.
    »Willst du die alle alleine essen?«, fragt Grandma. »Das wird eine gewaltige Zahnarztrechnung geben!«
    »Ich werde sie auf eine längere Zeit verteilen«, verspreche ich ihr. »Auf einen ganzen Tag.«
    Mom schüttelt den Kopf. »Ich gebe mir größte Mühe, ehrlich wahr.«
    Ich wende mich Lizzy zu. »Danke für alles. Echt super.« Es liegt etwas wirklich Beruhigendes darin, genau zu wissen, womit
man rechnen kann. In diesem Sommer ist das so selten passiert. Vergnügt knabbere ich an meinem Sandwich. Der Junge mit dem Flugdrachen schielt auf meinen Süßigkeitenberg, aber ich tue so, als merkte ich es nicht.
    »Ich hab da noch eine Kleinigkeit«, sagt Lizzy und greift in ihre Tasche. Sie bringt eine flache rote Schachtel zum Vorschein. Sie ist nicht in Papier eingeschlagen, darum erkenne ich sie problemlos wieder. Es ist die Schachtel für das Portemonnaie, das ich letztes Weihnachten zusammen mit Lizzy für ihren Vater ausgesucht habe. Will sie es mir zurückschenken? Ich hätte eigentlich nichts dagegen. Es hat mir gefallen und ich könnte es gut gebrauchen. Ich greife nach der Schachtel, klappe sie auf und rechne damit, das dünne braune Portemonnaie vor mir zu haben. Stattdessen liegt da, auf eine Watteschicht gebettet, ein einzelner silberfarbener Schlüssel. Ich nehme ihn aus der Schachtel heraus. Zuerst will bei mir der Groschen nicht fallen. Soll das symbolisch für unsere Suche in diesem Sommer stehen?
    Dann begreife ich schlagartig. Meine Augenlider öffnen sich so weit, dass es tatsächlich wehtut. Mein Kopf fliegt ruckartig nach oben. »Ist das … ist das der … ist …«
    »Jep«, sagt sie und wippt wieder auf und ab. »Das ist der vierte Schlüssel.«
    Mom und Grandma strahlen mich an. Ich habe das Gefühl, sie wussten vorher, was passieren würde. Eine Mischung aus Ungläubigkeit, Freude, Erleichterung und Ärger durchflutet mich. »Aber wie hast du, wo hast du, wie …«
    »Er war in dem Koffer. Ich hab ihn ungefähr eine Stunde nach dem zweiten Schlüssel gefunden. Du warst auf dem Klo, also hab ich ihn eingesteckt.«

    Die Vorstellung, dass Lizzy das eine Woche lang vor mir geheim halten konnte, ist fast so unglaublich wie das Auftauchen des Schlüssels an sich. »Aber warum tust du so was? Die ganze Zeit habe ich gedacht, es wäre aussichtslos. Und du wusstest es. Du wusstest es!«
    Der Schatten eines
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