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Leben bis zum Anschlag

Leben bis zum Anschlag

Titel: Leben bis zum Anschlag
Autoren: Elisabeth Rapp
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schönen Nigger da hin. Solltest mal sehen, wie der mit denen rumturtelt. Ein Gegrinse und Geflöte ohne Ende, zum Kotzen, ich schwör.«
    Auf dem Boden regt sich was. Dennis hebt den Kopf und starrt Ron hasserfüllt an. »Ich mach dich fertig«, sagt er heiser.
    »Willst du eins auf die Fresse, oder was?« Eine rein rhetorische Gegenfrage. Ron ist erleichtert, dass es endlich in seinem Sinn vorwärtsgeht und hält Dennis die Hand hin.
    Auch für Sandro hat das gemeinsame Vorhaben eine äußerst zufriedenstellende Perspektive: Lass die beiden sich gegenseitig die Schädel einschlagen, einer bleibt übrig.
     
    An der Haltestelle Hafenstraße springt Nora aus dem 112er-Bus und rennt über die Fußgängerbrücke. Vorbei am total überfüllten Park Fiction und dem Golden Pudel Club, den Blick starr auf die Uhr der St.-Pauli-Kirche gerichtet. Halb acht. Maikas heftiges Winken nimmt sie nicht wahr. Sie sitzt unter vielen auf der Treppe und genießt den Hafenblick.
    Nora sucht die Wiese vor der Kirche nach Hundescheiße ab und setzt sich ins Gras. Was soll sie Yolanda sagen? Bin die Treppe runtergefallen? Die roten und bald blauen Flecken an Armen und Beinen sind unübersehbar, da macht sich Nora nichts vor. Seit der Sache im Getränkeschuppen, als sie beinah unter den Getränkekisten begraben wurde, hat Yolanda einen Bodyscan-Blick
drauf, dem nicht die kleinste Blessur am Körper ihrer Tochter entgeht.
    Nora ruft sie an und ist das erste Mal, seit sie sich auf den Roller des Arschlochs gesetzt hat, erleichtert. Yolanda ist in Quickborn bei Freunden und kommt mit dem letzten Zug.
    »Was ist los?« Selbst Maika braucht keine Sekunde, um zu checken, dass mit ihr was nicht stimmt.
    Der Kloß in Noras Hals verursacht Beklemmungen, Brechreiz. Maikas forschendem Blick ist sie nicht gewachsen. Ihr Magen rebelliert. Sie dreht sich um und würgt. Mehrmals, aber es kommt nichts außer Magensäure. Ihre Augen brennen. Nora greift nach der Wasserflasche, die Maika ihr hinhält. Spült, gurgelt, spuckt aus. Schüttet sich Wasser übers Gesicht, über die Haare und reibt wie wild an ihrem Ohr.
    In der Flasche ist kein Tropfen mehr, und kein Ton kommt über Maikas Lippen.
    »Ich muss mich duschen und umziehen.«
    Das ist eine Bitte, Nora zu begleiten, kapiert Maika.
     
    Seit fünf Minuten läuft die Dusche. Maika ist zum ersten Mal bei Nora zu Hause und starrt fasziniert auf die Regale in dem schlauchartigen Arbeitszimmer. Gut sortiert stehen hier Hunderte von Elvis-Presley-Puppen, Roboter aus Blech und Plastik, hölzerne Gliederpuppen, Ausschneidepuppen aus Pappe, CDs, Fotobände und Bücher über den King of Rock ’n’ Roll. Auf dem Regalfach auf Augenhöhe schwingen Dutzende von Elvis-Wackelpuppen lasziv die schmalen Hüften.
    »Elvis lebt«, murmelt Maika. Sie zählt drei PCs und sechs externe CD-Brenner und denkt, aha, hier vervielfältigt sie also ihre Downloads. Nora betreibt einen gut gehenden Handel mit CDs,
USB-Sticks, MP3-Downloads auf Bestellung und vertickt mit Erfolg die Mitschnitte von Mehmets DJ-Çay-Gigs bei den Underage-Clubs.
    An der Schreibtischlampe hängt ein pinkfarbenes Post-it: Priscilla, Abrechnung nicht vergessen!
    In ein Handtuch gewickelt verschwindet Nora hinter Maika im Schlafzimmer und macht die Tür hinter sich zu.
    Maika wartet und schreitet zur Besichtigung des Wohnzimmers fort. Wo ist Noras Zimmer?, fragt sie sich. Die Wohnung hat zweieinhalb Zimmer, genau wie ihre, aber da schläft in dem halben Anja, ihre Mutter. Ein Arbeitszimmer brauchen sie nicht. Anja arbeitet nicht, sie säuft. Hier ist das halbe Zimmer Graceland im Kleinformat.
    Nora unterbricht Maikas Wohnungsvergleich. Sie hat sich umgezogen, dünne Leinenhose und Bluse, langärmlig, beides in Weiß. Wie eine unschuldige Judokämpferin sieht sie aus.
    »Wo ist dein Zimmer?«
    »Hat sich Elvis unter den Nagel gerissen. Ich knack im Schlafzimmer und Yolanda im Wohnzimmer. Mein Vater ist ja kaum da.«
    Auf dem Küchentisch liegt ein Zettel. Nora liest, holt eine Auflaufform aus dem Kühlschrank und schiebt sie in die Mikrowelle. Sie füllt zwei Gläser mit Leitungswasser, stellt zwei Teller auf den Tisch, und dann erzählt sie Maika von der Nachhilfestunde mit Mick Schuhmacher.
    »Ich hätte niemals auf seinen Roller steigen dürfen.« Nora presst die Lippen zusammen und stochert auf ihrem Teller im Nudelauflauf herum.
    »Mach dich bloß nicht für das beschissene Verhalten von diesem Arschloch verantwortlich.«

    »Aber für meine Blödheit.
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