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Leben bis zum Anschlag

Leben bis zum Anschlag

Titel: Leben bis zum Anschlag
Autoren: Elisabeth Rapp
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Spätestens nach dem Abspritz-Spruch hätte ich abzischen müssen.«
    »Quatsch! In Millionen Fällen können wir uns doch gar nicht vorstellen, wie diese fehlgeleiteten Hirne ticken! Es gibt kein funktionierendes Frühwarnsystem für frauenhassende Typen.« Jetzt schiebt Maika auch ihren Teller weg. »Von dem weltweiten Daueralarm würden uns die Ohren abfallen. Willst du dir echt vorstellen, was sich in deren kranker Phantasie abspielt?«
    Nein.
    Maika auch nicht, aber nachdem sie die Vorstellung angeregt hat, ist sie angewidert und wütend.
    »Ist dir das auch schon mal …«
    »Ja. Und ich hab ewig gedacht, ich bin schuld. Mein Fehler. Gegrinst an der falschen Stelle, die falschen Klamotten, die falschen Signale, zur falschen Zeit am falschen Ort und der ganze Scheiß.« Maika gestikuliert, und in ihrer Stimme schwingt nichts mehr von der leicht gelangweilten Club-Plaudertasche mit. »Es hat gedauert, bis mir aufgefallen ist, dass nicht ich an einem Typen rumgegrapscht habe, der klipp und klar gesagt hat: Lass das, ich will das nicht, sondern einer an mir! Und nicht ich bin fies geworden, weil ich nicht bei ihm landen konnte, sondern ich bin gerannt! Eigentlich hätte ich das Opfer-Täter-Ding leichter auseinanderhalten können müssen. Keine Ahnung, wieso ich da so ’ne lange Leitung hatte.«
    Nora geht es schon besser. So nah fühlt sie sich Maika, dass sie drauf und dran ist, ihr zu erzählen, dass sie mit Keath zusammen ist. Tut es aber doch nicht, weil sie abgemacht haben, dass sie es Mehmet zuerst sagen. »Langsam krieg ich Hunger. Ich mach den Auflauf noch mal warm.«
    »Rache ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird.« Maika
grinst. »So fängt Kill Bill, der Film von Tarantino, an.« Dann wird sie ernst. »Mach dich darauf gefasst, dass Schuhmacher nicht wartet, bis er abgekühlt ist.«
    »Ich hab ihm den scheiß Schreibtisch zerlegt in der scheiß Villa seiner Eltern, die ihren einzigen scheiß Sohn so beschissen erzogen haben.«
    »Wenn du ihn anzeigst oder der Schulleitung meldest, was für ein Drecksack das ist, wird er genau das zu seiner Verteidigung anführen. Wasweißich, er hätte dich zurückhalten wollen oder so was.«
    So schätzt Nora ihn auch ein. »Ich kann mir Zeit lassen, aber eines Tages ist er dran.«
    Maikas Blick fällt auf den Notizzettel. Wird spät. Mach den Auflauf warm. Hab Dich lieb, Priscilla. Deine Matka Yola. Alles verschwimmt plötzlich vor ihren Augen. Unerwartet, schmerzhaft und langsam bohrt sich das Gefühl von Verlassenheit durch ihre Brust. Die verfluchte Einsamkeit, dass Maika alles mit sich selbst abmachen muss und immer schon musste, kommt ihr plötzlich ganz und gar unverdaulich vor. Die Nachrichten, die auf sie warten, wenn sie nach Hause kommt, sind: Frau Merten /deine Mutter /deine Alte liegt besinnungslos betrunken und/ oder besofen und/oder blau im Park/Treppenhaus/vorm Supermarkt /hinterm Getränkemarkt/am Kiosk … Diese herzzerfetzenden Mitteilungen sind die Ursache, dass Maika sich schon drei Ecken vor ihrem Wohnblock selbst in einen Betonklotz verwandelt, es zumindest versucht, um nicht jedes Mal aufs Neue umgehauen zu werden.
    »Was ist mit dir?«, fragt Nora.
    »Nichts. Wer ist Priscilla?«
    »Niemand. Yolanda, meine Mutter, nennt mich manchmal so,
wegen Elvis. Solltest du das jemals auch tun, sprech ich nie wieder ein Wort mit dir.«
    Das klingt absolut glaubwürdig. »Warum sollte ich?«
    »Sollst du ja eben nicht! Sag ich doch!«
    »Nora, hör auf zu labern, zieh deine Schlappen an und lass uns tanzen gehen.«

Track #03
03 Poolposition
    Zum Tanzen ist es noch zu früh, obwohl die beiden zu spät kommen. Keath hat den Einlass schon eröffnet, obwohl das Konzert der Türken erst um neun losgeht. Der Ansturm ist groß. Wenn sich die Menschenmenge im Hinterhof vor dem Club staut und die Leute sich ungeduldig auf den Füßen rumtreten, werden sie laut, und dann gibt es Stress mit den Anwohnern. Deshalb nickt Keath Nora nur zu und versucht den Einlass so schnell wie möglich abzuwickeln.
    Maika flitzt hinter die Bar. Alle drängeln vor der Theke und mimen angesichts der derzeitigen Temperaturen Anzeichen akuter Verdurstungserscheinungen.
    »Ich brauch ’n Bier!« – »Wasser! Schnell!«
    Bis jetzt hat Dali die Dehydrierten versorgt.
    Nora ahnt, dass Mehmet massiv unter Druck steht. Die Band ist beim Soundcheck, er hat keine Unterstützung, und der Saal ist schon voll. »Kann ich dir helfen? Willst du was trinken?«
    Mehmet hat den
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