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Leben bis zum Anschlag

Leben bis zum Anschlag

Titel: Leben bis zum Anschlag
Autoren: Elisabeth Rapp
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Sie grinst dem Spiegelbild der jungen Frau am Waschbecken neben ihr zu.
    Deren stark geschminkte Augen blicken ausdruckslos zurück. Sie erwidern kein Lächeln.
    Die Tür wird aufgerissen. Hinter Nora verschwindet eine Gruppe Mädchen kreischend in den Kabinen. Auf der Bühne drischt der Drummer auf das Becken ein. Höllische Lärmfetzen! Bis die Tür wieder zufällt.
    Viel Zeit hat Nora nicht mehr, wenn sie vor zehn noch mal tanzen
will. Sie wendet sich um, erstarrt mitten in der Bewegung und starrt auf zwei Fingernägel mit abgeplatztem rotem Lack. Die halten einen Dienstausweis, auf dem neben dem Landeswappen der Freien Hansestadt Hamburg das Wort POLIZE /steht. Genau vor ihrer Nase.
    »Taschenkontrolle.«
    »Wieso?«
    »Willst du mit auf die Wache?«
    »Haben Sie mitgekriegt, dass mich im Saal einer nach Koks gefragt hat?« Keine Reaktion. »Ich hab sofort der Aufsicht Bescheid gesagt!«
    Die Polizistin tippt auf die Leinentasche.
    Nora packt aus. Außer Ausweis, Schlüssel, dreißig Euro, Labello und Kamm hat sie nichts bei sich. Die Tasche ist leer. Auch dann noch, als Nora das Innere nach außen kehrt.
    »Du bist beim Dealen beobachtet worden.«
    »Ich hab Schulfreunden Daten mit meinem Teil der Projektarbeit gegeben.« Noras Standarderklärung. »Das ist ’ne geistige Substanz, wenn die unters Betäubungsmittelgesetz fällt, krieg ich ’ne Fünf. Das wär blöd.«
    »Taschengeld?«, fragt die Polizistin und hält die dreißig Euro hoch.
    »Nachhilfe. Physik. Michael Schuhmacher. Das ist kein Witz, der heißt so. Fragen Sie ihn.«
    Die Mädchen, die den Wortwechsel mitverfolgt haben, machen sich aus dem Staub. Unauffällig, ohne sich die Hände zu waschen.
    »Niemand hat mich beim Drogendealen beobachtet, weil ich nicht mit Drogen deale. Und um zehn muss ich hier raus. Kann ich gehen?«

    »Nein.« Die Drogenfahnderin geht von Kabine zu Kabine, reißt die Türen auf und kontrolliert gründlich die Toiletten. Danach fordert sie Nora mit angewiderter Miene auf, einzupacken. »Du kannst verschwinden.«
     
    Wenn man den Chef braucht, ist er nicht da. Immer wenn man ihn dringend braucht, geht er nicht mal ans Handy. Auf der Suche nach dem Kokser sind auch Mehmet und Keath die nervösen Typen aufgefallen, von denen Nora gesprochen hat. Unterm Publikum sind außer jedem Zweifel einige nicht im Geringsten am Konzert interessiert. Zivilbullen. Das verheißt Ärger. Mehmet bittet seinen Onkel Orhan um Hilfe. Unter den gegebenen Umständen und solange der Chef unaufndbar ist, sollten ab zehn im Club keine 400-Euro-Jobber unter achtzehn anzutreffen sein.
    Mehmet erklärt Orhan das Mischpult in groben Zügen und zeigt ihm, welche Regler er runterfahren muss, falls der Pegel in den allzu roten Bereich ausschlägt. Der Job gefällt seinem Onkel.
    Serhat, Orhans Kickboxschüler, ein Brecher von einem Kerl, wird von Keath in der Kunst des Türstehens unterwiesen: »Lass niemand mehr rein, es sei denn, es ist ein guter Kumpel von dir.«
    Maika drückt Lars, dem Late-Nite-Barkeeper, die Jägermeisterflasche in die Hand. Soll er dem abartigen Wunsch des Typen vor der Theke nach Kräuterlikör nachkommen. Dann zerrt sie den widerstrebenden Dali mit nach draußen.
    Schlag zweiundzwanzig Uhr stehen alle fünf vorm Club.
    »Ich hab keine Bullen gesehen«, protestiert Dali, »und der Krach hat mir gerade angefangen zu gefallen.«
    »Ich bin auf dem Lokus kontrolliert worden«, sagt Nora zu ihm.
    »Was?!« – »Du!« – »Wieso?«
    Vier aufgerissene Augenpaare starren Nora an.

    »Was war da drin los?«, will Mehmet wissen. »Du bist doch nicht etwa beim Download-Verticken erwischt worden?«
    Nora schweigt. Mehmet packt sie am Arm.
    »Es geht um Drogen! Die hat behauptet, ich hätte mit Drogen gedealt.«
    »Wer?«
    »Die Polizistin, die mich kontrolliert hat.«
    »Hast du?«
    »Spinnst du? Lass meinen Arm los, du Arsch!«
    Mehmet presst die Lippen zusammen. »Wenn du noch einmal …«
    Er muss seinen Gedanken nicht weiter ausführen. Tausendmal hat er Nora gesagt, sie angezetert und angebettelt, keine Download-Geschäfte im Club abzuwickeln. »Hab’s kapiert, Mehmet. Nie wieder. Nicht im Club und nicht in der Schule. Okay?«
    Hätte man sie erwischt, wäre sie ihren Job los. Sie hätte eine Anzeige bekommen und in der Schule und vor allem zu Hause mit maximalem Ärger rechnen müssen. Irgendwann ist sie dran, wenn sie nicht aufpasst. Man kann nicht ewig Glück haben.
    »Das war garantiert …«, Schuhmacher, will Maika mit
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