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Lebe deine eigene Melodie

Lebe deine eigene Melodie

Titel: Lebe deine eigene Melodie
Autoren: Irmtraud Tarr
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Arbeitsfreundin, die Flughafenfreundin, die Freundin für tiefe Gespräche, die Leidensgenossin. Während man in jungen Jahren unbeschwerter, beweglicher, bedarfsorientierter und pragmatischer Freundschaften einging – eine für den Sport, eine für Geheimnisse, eine für Ferien, eine fürs Café – so ändert sich die Gewichtung im Älterwerden. Ausschlaggebend ist jetzt die wechselseitige Zuwendung, der seelische Austausch, die Verbindlichkeit und weniger das Zweckdenken und die Rentabilität. Die Frage: Wer ist mir wichtig? stellt nun die Weichen. So kommt es, dass man sich von manchen trennt, weil man im Bewusstsein um die Begrenzung der Zeit, sich denen widmen will, die einem emotional wichtig sind. Vielleicht schrumpft die Zahl der Freundschaften, weil man sich eher zugesteht: »Das will ich nicht mehr!« »Das ist mir zu anstrengend«, »zu oberflächlich«, »zu flach«. Dafür wächst aber die Konzentration und die Tiefe der Freundschaften. Man möchte mit den Freunden zusammen sein, die einem seelisch nahestehen. Statt loser, flüchtiger Verbindungen, denkt man in längeren Zeiträumen und scheut sich
jetzt weniger vor Belastungen und Verpflichtungen. Man wird wählerischer und anspruchsvoller, weil man seine Zeit nicht mehr vergeuden will. Die Begeisterung für zufällige Zusammentreffen, die Poesie der Begegnungen weicht einer nüchternen Einschätzung. Wir durchschauen diese kleinen Euphorien, weil wir wissen, wir würden keine solcher Gefährten um einen Gefallen bitten, geschweige denn eine mit inniger Beteuerung ausgesprochene Einladung annehmen – »Wenn du in Paris bist, kannst Du jederzeit bei mir übernachten!«
    Der schnelle Verschleiß ist nicht mehr unsere Sache, weil wir uns immer öfter die Frage stellen: Wer wäre an meiner Seite in der Not? Bei Krankheit, Einsamkeit oder Unglück? Auf wen ist noch Verlass, wenn man sich von allen sonst verlassen fühlt? Wen könnte ich nachts aus dem Bett klingeln und sagen: »Mach auf, ich bin es!«
    Die Qualität echter Freundschaft weckt Assoziationen an die Liebe zu einem Instrument. Ein Instrument braucht Pflege und viel Übung. Das trifft einen wesentlichen Punkt: Freundschaft braucht Pflege. Wie die Liebe ist sie eine Entscheidung, die mit Leben gefüllt, geübt werden will und nicht ein ewig haltbares Ausstellungsobjekt, das man hin und wieder abstaubt. Das kann mitunter anstrengend sein. Aber Freundschaft misst sich daran, was sie aushält und einfordert. Nur bei wirklich guten Freunden kann man sagen: »Ich kann mich heute nicht aufraffen, mit dir essen zu gehen.« Freunde halten das aus. Freunde ertragen auch, wenn wir zum x-ten Mal über unsere Liebesenttäuschung oder die leidigen Familienprobleme lamentieren. Dafür sind Freunde da, dass sie einander Beistand leisten, über Vergesslichkeiten mit Humor hinwegsehen und einander auf andere Gedanken bringen, wenn uns der Blues über die Vergänglichkeit der Zeit überkommt. Wäre diese Seelsorge nicht, so
wäre es nicht möglich, immer wieder lachend in die kommenden Zeiten weiterzugehen.
    Freunde lindern Tränen und Leid wenigstens für eine Weile, aber lange genug, um sich wieder aufzuraffen und einigermaßen heil zu werden. Wo sonst als vor Freunden können wir unsere Empfindungen zulassen und unsere Klagen laut werden lassen? Dabei erleben wir nämlich: Wir stehen nicht allein. Allein diese Erfahrung nimmt dem Schweren die Tragik und den schwarzen Gefühlen ihre Schärfe. Das steht zwar nicht im Internet, aber vielleicht steht es für das Leben. Und wer weiß, vielleicht werden wir mit guten Freunden doch hundert.

»Vergesst nicht, Freunde, wir reisen gemeinsam.«
    Diesen Satz von Rose Ausländer möchte ich an den Schluss dieses Buches stellen. Noch sind wir da, noch haben wir das Glück, uns auf Überraschendes, Unerwartetes einzulassen. Wir überlassen das Jungsein den Jungen und behalten die Lust und Neugier am Leben lebenslang. An unseren Gesichtern, in deren Züge, Falten und Mimik sich unsere Lebensgeschichte »eingefleischt« hat, lässt sich ablesen, ob wir noch staunen und erstaunt sein können. Auch wenn sich Lachfalten und düstere Schatten immer weniger vertreiben oder ignorieren lassen, so aber auch das Glück, das wir nun in jedem unbeschwerten Tag, jedem zauberhaften Moment, in jeder weichen Berührung entdecken, dessen vielfältige Facetten und Nuancen wir noch vor kurzem vielleicht nicht bemerkt hätten.
    Mit dem Erhalt der Vitalität und der äußeren Erscheinung allein
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