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Lazyboy

Lazyboy

Titel: Lazyboy
Autoren: M Weins
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sieht sehr einladend aus.
    Am anderen Ende der Brücke ist ein Restaurant mit einer schönen Holzterrasse oberhalb eines alten Wehrs. Ich suche mir einen Platz in der Sonne. Ich werde von einer mittelalterlichen Frau mit weißer Schürze und einem faltigen, grauen Rock über äußerst stramm aussehenden, abgekämpften, harten Waden und Birkenstocks an den tennisbesockten Füßen bedient. Würde man diese Waden verspeisen wollen, bräuchte man sicherlich gutes Besteck und einwandfreie Zähne, so zäh sind sie vom jahrelangen Herumlaufen mit schweren Tabletts geworden.
    »Entschuldigen Sie«, sage ich. »Wo sind wir?«
    »Wie meinen Sie das?«, fragt sie ohne Gesichtsausdruck.
    »Die Stadt«, sage ich, »in der wir uns befinden, wie heißt das alles hier?«
    Sie guckt mich an, nichts regt sich in ihrem Gesicht. »Würzburg«, sagt sie.
    Ein Lächeln geht auf meinem Gesicht auf wie Urlaubssonne, ich kann es warm und deutlich spüren. Ich meine mich zu erinnern, dass Würzburg an einer ICE-Strecke liegt. Ich kann mir also ordentlich Zeit lassen, alles angucken.
    »Toll«, sage ich. »War ich noch nie, in Würzburg. Was isst man denn hier so? Gibt es eine Spezialität?«
    »Blaue Zipfel«, sagt die abgezehrte Frau ohne Begeisterung.
    »Toll«, sage ich, »nehme ich. Wenn ich schon mal da bin.«
    Beiläufig muss ich an Schlumpfhausen denken. Ich schaue der Frau nach, ihre Waden zucken beim Gehen links und rechts, als würden sie mir zuwinken.
    Etwas später stellt sie die Blauen Zipfel in einem Teller Brühe vor mich hin. Diese stellen sich als in Essig gekochte Würste heraus. Na ja.
    Trotzdem sitze ich mit dem zufriedensten Lächeln der Welt auf der Terrasse oberhalb des Flusses, der jetzt im Sonnenlicht tiefbraun und goldgesprenkelt vor sich hin funkelt. Ich äuge zur Burg hoch. Das Sonnenlicht gleißt auf den alten Schindeln. Still für mich formuliere ich einen erhabenen Gedanken. Innerlich fülle ich mich mit dem goldenen Licht der Zufriedenheit, als ich meinen schönen, gehaltvollen Gedanken denke. Ich denke: Es intensiviert den Aufenthalt an einem Ort, wenn man sich klarmacht, in jedem Augenblick auch woanders sein zu können, durch irgendeine Tür jäh aus dieser Gegenwart in die nächste gerissen zu werden, dass jegliche Anwesenheit schlagartig beendet sein kann.
    Für zwei gekochte Blaue Zipfel muss ich 14 Euro bezahlen, das dämpft mein Gefühl von Erhabenheit empfindlich.
    Als ich später den Prachtbau der berühmten Würzburger Residenz aus dem 18. Jahrhundert betrete, ein weltbekanntes Fresko von Tintoretto oder so befindet sich darin, halte ich vor der ersten Tür sehr bewusst inne, halte mich am Türrahmen fest und schaue mich noch einmal um. Ich mustere den Parkplatzwächter mit einer nicht gekannten Intensität, er steht keine zwanzig Schritte entfernt, und mir fällt auf, dass sein eines Auge ein künstliches sein muss, es bewegt sich nicht synchron mit dem anderen. Der Himmel trägt eine zerzauste Frisur, dunkelgraue Strähnen hängen wild von einer Seite über die andere gekämmt. Ein kleiner Hund mit rostbraunem Fell macht eine seitliche Bewegung, die aussieht, als habe er sie aus einem Yogalehrbuch für Hunde abgeschaut.
    »Nehmen wir einmal an«, sage ich abends zu Monika, wir sitzen an ihrem Küchentisch, ich schäle eine Karotte mit langsamen, tief schürfenden Schnitten, die kaum noch Karotte übrig lassen, »ich würde dir erzählen, dass ich zuletzt sonderbare Erfahrungen mit Türen gemacht hätte, dergestalt, dass mich so manche Tür nicht dort ausspuckt und dorthin befördert, wo es mich eigentlich hinzog, in den Nebenraum, sondern an ganz andere Orte, Plätze. Dass mich Türen unvermittelt und auf wunderbare Weise durch die Gegend teleportieren, beamen quasi.«
    »Ja?«, fragt Monika und liest weiter in ihrem Kochbuch, in dem das Rezept dessen steht, was ich eigentlich zubereiten wollte, das wir nun gemeinsam kochen werden, wie immer, wobei sie den Löwinnenanteil der Arbeit erledigen wird und ich nur die Zugehtätigkeiten, wie bei den echten Löwen.
    »Nehmen wir also mal an, ich erzählte dir so etwas, würdest du mir Glauben schenken?«
    »Nö«, sagt Monika lesend.
    »Und was würdest du darüber denken, wenn ich so etwas erzählte?«
    »Dass du eine Ausrede für irgendeines deiner Versäumnisse und üblichen Schlamassel gesucht und gefunden hättest, charmant, aber völlig überzogen und unglaubwürdig. Typisch du eben. Niedlich auf eine Art. Aber ich wäre genervt, weil du mir nicht
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