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Lazyboy

Lazyboy

Titel: Lazyboy
Autoren: M Weins
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ich.«
    Es klappt sowieso nicht, das wissen wir beide. Wir waren mal um die Alster joggen, aber das ist Jahre her. Wir reden nach wie vor gerne darüber. Und es für die nächsten Tage zu planen, fühlt sich fast schon an wie Sport.
    Ich frage mich, wie er es fertigbekommt, eine Beziehung zu führen, so viel, wie er unterwegs ist.
    Umständlich zwänge ich das Handy zurück in meine Hosentasche. Ich bin nicht nur Fußgänger geworden, ich trage auch beide Arme in Schlingen, damit es aussieht, als hätte ich eine gravierende Armverletzung. Seit einer Weile versuche ich, Türensprünge zu verhindern, indem ich geschlossene Türen meide. Indem ich die Türen nicht mehr öffne. Ich hatte das Gefühl, dass die Gefahr für mich vor allem dann besteht, wenn ich selbst die Tür geöffnet habe, dass bereits geöffnete Türen risikoärmer sind. Ein Aberglaube vielleicht, aber bislang fahre ich ganz gut damit. Die Leute gucken allerdings pikiert, wenn ich an eine Tür geklopft habe und, nachdem sie Herein! gerufen haben, meinerseits rufe: Hallo? Entschuldigung? Würde es Ihnen vielleicht etwas ausmachen, diese Tür für mich zu öffnen?
    Sie öffnen die Tür, und dann steht statt eines Behinderten ein völlig unversehrter Mensch da. Aus diesem Grund also die Arme in Schlaufen.
    Es gibt einfach zu viele Türen in der Welt. Glastüren, Schiebetüren, Fahrstuhltüren, Drehtüren. Ich mag gar nicht an die Leute denken, die mich durch eine Glastür auf sich zukommen sehen, und plötzlich bin ich verschwunden. Ich habe schon überlegt, ob ich eine Weile ins Zelt ziehe.
    Das Zelt würde ich auf einer Verkehrsinsel aufbauen. Wenn schon, denn schon. Ich wohnte inmitten einer sechsspurigen Kreuzung, wo sich zwei riesige Ausfallstraßen träfen, in der Mitte, auf einer gar nicht mal so kleinen Fläche Gras, von einigen Birken bewacht. Ich lebte in der stummen Gesellschaft etlicher Kaninchen, die sich in der Dämmerung aus dem Schutz der Büsche wagten. Ein kleines Idyll, ein Naturparadies, das sich in der Abenddämmerung aus dem Nebel des Smog hebt.
    Morgens würde ich über die Druckknopfampel zur Shell-Tankstelle hinüberschlurfen, um mich dort unter der Duldung meines minderbemittelten Tankstellenangestelltenfreundes Bernd zu waschen, mir die Zähne zu putzen und Wasser für meinen Espresso zu holen. Den Espresso bereitete ich auf dem Gaskocher vor meinem Zelteingang hockend zu. Ich würde zufrieden lächelnd dem Berufsverkehr zusehen, wie er sich an mir vorbeischiebt, die ganzen angespannten Gesichter hinter den Lenkrädern, es dämmerte blaugrau, die roten Bremsleuchten leuchteten romantisch, während ich an meinem Shell-Tankstellen-Brötchen knabberte.
    »Was hat denn der Arzt gesagt?«, fragt Monika.
    Wir sitzen gemeinsam auf ihrem blauen Samtsofa und sehen uns eine Folge der Gilmore Girls an, ihre Lieblingsserie. Ich schalte auf Durchzug, und sie leuchtet dabei irgendwie von innen.
    »Der Doktor hat gesagt, er könne nichts feststellen, körperlich fehle mir nichts.«
    Monika guckt mich kurz auffordernd an, ihre prachtvollen Locken wippen, sie nickt. Aber ich bin nicht willens, mehr preiszugeben.
    Der Doktor hat sich nämlich die Untersuchungsergebnisse nur flüchtig angesehen und dann gesagt, dass ich selbstverständlich gerne den Rat anderer Ärzte, Spezialisten, einholen dürfe, wenn ich dies wünsche. Er empfehle mir allerdings eindringlich, jetzt von einer anderen Seite an das Problem heranzugehen.
    Er wolle mir konkret vorschlagen, eine Psychologin zu konsultieren. Er denke dabei an eine junge Psychotherapeutin, sehr gut auf ihrem Gebiet, er habe nur das Beste von ihr gehört, an die er mich gerne überweisen würde.
    Ich hatte ihn eine Weile schweigend angesehen und dann einmal kurz genickt. So findet man sich in sein Schicksal. Gucken. Nicken. Er denkt, ich hab sie nicht mehr alle. Dass ich plemplem bin. Na gut.
    Ich denke, gut, es ist Monika, meine Partnerin, der Mensch, dem ich die größte Nähe zubillige. Ich sollte sie schon ins Vertrauen ziehen, ein paar Dinge sollte sie schon wissen.
    Ich sage: »Er will mich zum Psychologen schicken.«
    »Echt?«, fragt sie.
    »Ja«, sage ich.
    Sie nickt mit grimmigem Gesichtsausdruck. Gut. Das passt anscheinend. Prima.
    »Findest du wirklich, dass das angebracht ist? Hast du den Eindruck, ich muss zum Psychologen?«
    »Ohne dich verletzen zu wollen«, sie lächelt jetzt sanft, »unbedingt. Du hast echt einen Knall, aber dafür mag ich dich ja so.«
    Sie lehnt sich zu mir hinüber
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