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Lauter Irre

Lauter Irre

Titel: Lauter Irre
Autoren: Tom Sharp
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Meter angehoben und war schwer beschäftigt damit, die Lücke darunter mit Steinen von dem stillgelegten Bahngleis auszufüllen.
    »Schau mal«, sagte er. »Ich hab ja immer gewusst, dass irgendwas an dieser Grabplatte ganz merkwürdig ist.«
    Esmond spähte hinein und sah die Füße eines Skeletts und daneben das Ende eines Spatens.
    »Merkwürdig ist ja wohl kaum der richtige Ausdruck«, murmelte er. »Der da drin liegt ja noch nicht mal in einem Sarg. Und wieso ist er hier begraben und nicht oben auf dem Friedhof bei all den anderen Gropes? Glaubst du, er war irgendwer Besonderes?«
    »Könnte wohl sein, aber was mich wundert, ist, warum sie diese riesige Metallplatte da draufgepackt haben.«
    »Vielleicht, damit er nicht wieder rauskommt«, meinte Esmond.
    »Oder er hat das Ding da drauflegen lassen, damit die Grope-Weiber nicht an ihn rankönnen«, feixte der alte Samuel.
    Esmond war sich nicht ganz sicher, dass er den Witz verstanden hatte, fuhr jedoch fort: »Jedenfalls, Jeremy, ich wollte dich fragen, ob du morgen mein Trauzeuge sein würdest.«
    »Klar, aber tauschen möchte ich nicht mit dir. Ich würde nie eine Grope heiraten, egal, wie hübsch sie ist. Und vergiss ja nicht, mich Samuel zu nennen, wenn die Frauen dabei sind, sonst kriegst du Ärger.«
    »Mach dir um mich keine Gedanken. Wie gesagt, ich hab schon einen Schlachtplan.«
    »Ja, und der Kerl da drin hatte wahrscheinlich auch einen Schlachtplan«, knurrte der alte Samuel grinsend und zeigte auf das Grab. Er ließ den Wagenheber herunter, und die Grabplatte sank wieder an ihren Platz zurück. »Na, ich sorge dann wohl mal lieber dafür, dass hier alles blitzblank ist, wenn morgen die Hochzeit stattfinden soll, sonst schaufele ich als Nächstes noch mein eigenes Grab.«

43
     
    Am nächsten Morgen kam noch vor dem Frühstück ein Bote mit einem Brief vom Reverend Horston, in dem stand, dass dieser, da er an diesem Tag sechs Trauungen durchzuführen hatte, die von Mr. Grope und Miss Parry um neun Uhr abends vornehmen werde, oder möglicherweise auch später. Er entschuldigte sich vielmals für die Verzögerung, die dies zweifelsohne für sie bedeutete.
    »Wie ärgerlich«, bemerkte Esmond, als er in seinem Anzug und den neuen Schuhen herunterkam, doch Myrtle Grope und seine Verlobte waren nicht seiner Meinung.
    »Nach sechs Trauungen ist er sicher völlig erschöpft und nimmt es nicht mehr so genau. Das ist ganz bestimmt von Vorteil für uns.«
    »Ich verstehe nicht, wieso«, wandte Esmond ein.
    »Weil er es eilig haben und nicht allzu viele Fragen nach unserem Glauben stellen wird – zum Beispiel, ob wir zur Church of England gehören oder Atheisten sind. So was eben. Ich meine, weißt du, ob du jemals getauft worden bist?«
    »Großer Gott, nein. Und auf jeden Fall könnte ich mich nicht mehr daran erinnern. Weißt du etwa noch, was passiert ist, als du gerade erst geboren warst? Wenn ja, dann hast du ein unglaublich gutes Gedächtnis. Also, ich gehe ein bisschen spazieren.«
    »Du gehst andauernd spazieren«, bemerkte Belinda. »Ich weiß gar nicht, warum.«
    »Weil ich das Anwesen interessant finde. Ich mag das Land und die freie Natur sehr. Ich bin immer mit meinem Vater in den Wald bei Croham Hurst gegangen, bevor er Alkoholiker wurde und verrückt geworden ist und versucht hat, mich zu erstechen. Da war so eine Art steiler Kiesweg, Breakneck Hill hieß er, den bin ich immer runtergerutscht. Mein Vater fand es anscheinend auch gut, wenn ich das gemacht habe.« Esmond hielt inne, eingesponnen in einer Zeit, die jetzt sehr fern schien, ehe er hinzufügte: »Jedenfalls brauche ich Bewegung. Ich sterbe vor Langeweile, wenn ich den ganzen Tag im Haus herumsitze.«
    »Oh, dann mach nur deinen Spaziergang. Ich kann doch nicht zulassen, dass du an Langeweile stirbst. Eigentlich würde ich sogar gern mitkommen, aber ich habe hier im Haus jede Menge zu erledigen.«
    Esmond ging hinaus, unendlich erleichtert, dass Belinda ihn nicht begleitete. Er schritt die Wiese hinauf auf die Mauer und den Kiefernwald zu, und als er vom Haus aus nicht mehr zu sehen war, eilte er zu Jeremys Hütte.
    Sein Freund und Komplize (als den er ihn nunmehr betrachtete) saß auf den Stufen und genoss eine Tasse Tee. Er war ungewöhnlich gut gekleidet, in einen Anzug aus Tweed.
    »Ich fürchte, die Trauung findet erst heute Abend um neun statt«, berichtete Esmond. »Der Pfarrer hat heute noch sechs andere Hochzeiten. Tut mir leid.«
    »Kein Problem. Ich bin auf jeden Fall
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