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Laubmann 2 - Bärenzwinger

Laubmann 2 - Bärenzwinger

Titel: Laubmann 2 - Bärenzwinger
Autoren: Stefan Fröhling & Andreas Reuß
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haben. Laubmann hatte einen verhärmten Ausdruck an ihm wahrgenommen. Sah er Menschen wie ihn, fiel ihm der Satz aus dem alttestamentlichen Buche Hiob ein: «Der Mensch flieht wie ein Schatten und bleibt nicht bestehen.»
    Ähnlich gegensätzlich wirkten die beiden Frauen, die hinter dem Moraltheologen aus dem Felsengang drängten. Barbara Burgerroth, das Tageslicht mit vor Kälte gerötetem Gesicht begrüßend, lehrte in Prag Literatur, stammte aber aus Franken. Sie beschäftigte sich seit einiger Zeit mit Texten antikommunistischer Dissidenten der ehemaligen Tschechoslowakei und war auf die Burg eingeladen worden, um über «Wahrheit und Literatur» zu referieren. Sehr lange blonde Haare, schlank, schick, schön, geschminkt, Designerbrille, 43, unverheiratet und gerade frei – und sie wußte, daß sie eine starke Ausstrahlung hatte, vor allem auf das andere Geschlecht.
    Christa Schanz-Haberbergers Fach war dasselbe wie das des Kollegen Laubmann, die Moraltheologie. Sie kam aus München, war Dozentin dort und als theologisch-feministische Autorin ziemlich populär. Sie war verheiratet, lebte getrennt, hatte einen erwachsenen Sohn. Um Äußerliches kümmerte sich die Fünfundfünfzigjährige weniger. Für sie war das ein Ausdruck selbstbewußter Bescheidenheit. Sie hatte nach hinten verknotete und bereits ergraute Haare, und ihr Blick war beim Heraustreten aus dem Schacht so streng wie ihr Brillenmodell.
    Die beiden Frauen waren sich nicht unsympathisch. Denn die Tagung auf der katholischen Burg wurde von Männern dominiert. Das erforderte weibliche Solidarität.
    Professor Dr. Peter Meister war der nächste, und er stampfte hinaus, als wolle er die ganze Gegend in Besitz nehmen. Ein Geistlicher Rat dem kirchlichen Ehrentitel nach und, ebenfalls im Fach Moraltheologie, Lehrstuhlinhaber in Mainz. Er war ein Priester und Wissenschaftler mit kirchentreuen Prinzipien; sachlich und unsentimental, mit starker Brille ob seiner Kurzsichtigkeit. Mittelglatze, Haarkranz und einige über der bloßen Kopfhaut verteilte merkwürdig grau-gelbe Haarsträhnen vervollständigten sein Erscheinungsbild. Manchmal war er polternd in seinem Benehmen, was, wie er fand, einem Sechzigjährigen zustand. Bezüglich der Tagung kümmerte er sich um die Wahrheit im Verhältnis von Kirche und Staat.
    Der fast gleichaltrige Petrus von Bebenhausen, Professor für die Exegese des Neuen Testaments an der Universität Würzburg, verkörperte einen Gegensatz in sich selbst. Er war ein sanfter, feinfühliger, zurückhaltender, hilfsbereiter Mensch und ein verständnisvoller Priester, was man ihm weder auf den ersten noch zweiten Blick zutraute. Bebenhausen verschreckte die Leute ungewollt mit seinem harten, narbenbesetzten Gesicht, dem vorragenden Unterkinn, der flachen Nase, den breiten Lippen, den auseinanderklaffenden Vorderzähnen, den buschigen Augenbrauen, dem basaltgrauen Haar und der Figur eines Schwergewichtsboxers. Man wandte sich dem 1,93 Meter großen Priester nicht auf Anhieb vertrauensvoll zu. Doch die Scheu der Menschen tat ihm in der Seele weh.
    Ihm folgte der zehn Jahre jüngere Kunsthistoriker und Theologe Heinrich Ippendorff, seines Zeichens Professor in Heidelberg. Der war nun ganz überzeugt von sich, verfügte über dichtes schwarzes Haar, leicht gelockt und kurz geschnitten, ein feines Oberlippenbärtchen, ein schmales Gesicht und gepflegte Hände, trug einen hellen modischen, beinahe geckenhaften Anzug, eine ebensolche Fliege, sogar Manschettenknöpfe, war beringt und gönnte sich eine Goldbrille sowie eine wertvolle Armbanduhr. Er hielt sich selbst für unwiderstehlich, hatte sich nicht in Theologie, sondern in Kunstgeschichte habilitiert und war unverheiratet geblieben.
    Der Rest der Teilnehmer an dieser Burgführung hinterließ hingegen einen arg durchschnittlichen Eindruck. Die Herren waren meist in den Fünfzigern. Nur Professor Dr. Dr. Franz Röttinger hatte gerade mal die 45 überschritten. Als Neurophysiologe und Hirnforscher hatte er in Frankfurt seine akademische Heimat gefunden. Ein freundlicher Mann, verheiratet, aber kinderlos, mit gepflegtem Backenbart und einer unaufdringlichen silbergefaßten Brille. «Wahrheit und subjektives Bewußtsein» lautete sein Thema.
    Dr. Friedemann Böhmer vertrat als Leiter eines Dresdner Instituts für sozial-ethische Grundfragen die evangelisch-lutherische Seite bei der Tagung, obwohl er einer in Ostbayern ansässigen katholischen Bildhauer-Familie entstammte und vor Jahrzehnten
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