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Last Exit

Last Exit

Titel: Last Exit
Autoren: Olen Steinhauer
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Polizisten an der Haustür ihren BND-Ausweis. Ein Reporter, den sie vom Fernsehen kannte, fragte, ob sie die
Geschichte über Wertmüller glaubte. »Kein Kommentar«, antwortete sie und marschierte an ihm vorbei.
    Der Eingangsbereich war leer, nur ein weiterer Polizist stand am Aufzug und prüfte ebenfalls ihren Ausweis, bevor sie in den fünften Stock hinauffahren konnte. Dort hatten sich alle versammelt. Bernd, Franz und Birgit; Gaby von der Pressestelle, Robert von der Verwaltung, Hans von der Zentrale und Claudia vom Finanzwesen. Niemand sprach laut. Nur Flüstern hallte durch das Wohnzimmer von Wertmüllers riesigem Apartment. Die Anwesenden hatten sich in Grüppchen um Einrichtungsgegenstände geschart – eine Jugendstillampe, ein Biedermeiersofa, den Barschrank. Als sie eintrat, blickten alle auf, doch nur Bernd löste sich von Hans und kam auf sie zu.
    »Endlich bist du da.«
    »Was ist los?«
    Er schüttelte den Kopf. »Gemälde. Aus dem Bührle-Museum. «
    »Der Raub im Februar?« Sie bemühte sich, schockiert zu klingen. »Was hat das mit Teddy zu tun?«
    »Zwei Bilder. Die, die noch gefehlt haben. Sie wurden hier in der Wohnung entdeckt.«
    Erika schüttelte den Kopf. »Was soll das heißen, entdeckt ? So was entdeckt man doch nicht einfach. Man muss sich Eintritt verschaffen und danach suchen. Wie ist das passiert?«
    »Anonymer Anruf bei der Interpol. Die haben das BKA verständigt. Die Beamten sind vor ein paar Stunden mit einem Durchsuchungsbefehl angerückt.«
    »Wo waren die Bilder?«
    Bernd öffnete den Mund und schloss ihn wieder vor Fassungslosigkeit. »Unter seinem Bett. Theodor sagt, dass er sie noch nie im Leben gesehen hat.«

    Geräuschvoll atmete sie aus. »Die eigentliche Frage ist, wer die Presse verständigt hat.«
    Er zuckte die Achseln.
    Sie fand Theodor im Gästezimmer – das Schlafzimmer war für die Spurensicherung abgesperrt worden. Er wurde von zwei Polizisten bewacht. Sie forderte sie nicht auf, sie allein zu lassen, weil sie es ohnehin nicht getan hätten. Der Raum hatte wie alle anderen ein riesiges Fenster, durch das er leicht fliehen konnte – und durch das jeder, der die Kombination der Alarmanlage kannte, problemlos eindringen konnte.
    Er saß am Ende des Betts, die Füße auf dem Boden und die Ellbogen auf den Knien, und starrte auf ein großes Foto. Es war so dunkel, dass der abgebildete Gegenstand nicht zu erkennen war, und sie fragte sich, ob es sich um eins von diesen postmodernen Werken mit einem Titel wie Schwärze Nr. 23 handelte.
    Schließlich hob er den Blick; seine Augen waren voller roter Äderchen. Er hatte geweint. Er wusste genau wie sie, dass seine Karriere zu Ende war. Vielleicht konnte er sich irgendwie aus der Sache herauswinden, vielleicht auch nicht. Doch die Gerüchte genügten. Sein Gesicht im internationalen Fernsehen; seine Biografie plötzlich im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Er musste wieder von vorn beginnen. Diese Erkenntnis stand ihm ins Gesicht geschrieben, und sie war beeindruckt, wie schnell er es begriffen hatte.
    Sie überlegte, was sie sagen sollte. Sie konnte viele verschiedene Rollen spielen. Doch in seinen Augen las sie, dass er Bescheid wusste, und so konnte sie sich die Mühe sparen. Sie war zu müde dafür, und ihm ging es sicher nicht anders.
    Ohne dass sie ein Wort miteinander gewechselt hätten,
kehrte sie ins Wohnzimmer zurück und beteiligte sich an mehreren Unterhaltungen, die sich alle um Schadensbegrenzung drehten. Nicht einmal hier wurde die Frage gestellt, ob Theodor die Gemälde tatsächlich gestohlen hatte. Es interessierte niemanden, selbst Franz und Birgit nicht. Sie hatten ihn fallenlassen wie eine heiße Kartoffel. Und als jemand – Claudia vielleicht? – den Vorschlag machte, dass Erika fürs Erste die Leitung der Dienststelle übernehmen sollte, empfand sie nur noch dumpfes Mitgefühl für den einsamen Mann im Nebenzimmer.
    Ihr Telefon klingelte. Oskar war dran. Sein Anruf verstieß gegen die Regeln, und fast hätte sie sich nicht gemeldet. Sie trat zur Tür, wo ein weiterer Polizist mit einer nicht angezündeten Zigarette stand und sich zu fragen schien, ob er im Treppenhaus rauchen konnte. »Hallo, Oskar. Ich bin überrascht, so spät noch von Ihnen zu hören. Ist alles in Ordnung?«
    »Ja, aber deswegen rufe ich nicht an.«
    »Sondern?«
    »Es geht um Milo Weaver. Er liegt mit einer schweren Schussverletzung im Krankenhaus. Alan Drummond behauptet, dass es Andrei Stanescu war.«
    »Andrei? Der Vater,
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