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Last Exit

Last Exit

Titel: Last Exit
Autoren: Olen Steinhauer
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Ihrer journalistischen Arbeit aneinandergeraten sind. Ich darf Ihnen
versichern, dass ich nicht die Absicht habe, mich für mein Verhalten zu entschuldigen. Im Gegenteil, ich bin noch immer der Auffassung, dass Ihre Artikel über Taszár äußerst unverantwortlich waren und den ohnehin eher bescheidenen Kriegsanstrengungen hätten schaden können. Dass dies nicht der Fall war, spricht für meine Fähigkeit, ihr Erscheinen hinauszuzögern, oder für die Bedeutungslosigkeit Ihrer Zeitung – das können Sie selbst entscheiden.
    Trotz allem bewundere ich Ihre Hartnäckigkeit. Sie haben sich nicht beirren lassen in einer Situation, in der viele Journalisten klein beigegeben hätten, und genau aus diesem Grund wende ich mich jetzt an Sie. Sie sind ein Journalist, wie ich ihn brauche.
    Dass Sie diesen Brief in Händen halten, ist der Beleg für ein entscheidendes Faktum: Ich bin inzwischen tot. Ich schreibe diesen Brief, damit mein Tod – den Auftrag dazu wird vermutlich mein eigener Arbeitgeber erteilt haben – nicht unbeachtet bleibt.
    Eitelkeit? Gewiss. Aber wenn Sie mein Alter erreichen, werden Sie diesen Umstand wohl mit mehr Nachsicht betrachten. Vielleicht können Sie darin sogar die gleiche idealistische Motivation erblicken wie ich.
    Nach offiziellen Quellen hatte Grainger vor seinem tödlichen Herzinfarkt im Juli eine Finanzaufsichtsabteilung der CIA in New York geleitet. Doch solche Daten sind nicht umsonst so mühelos einzusehen: Sie enthalten die vom Staat gewünschte Darstellung.
    Gegen drei schoben sie sich von der Tanzfläche, sammelten ihre Sachen auf – der siebenseitige Brief steckte noch immer in seiner Umhängetasche – und überquerten die Margit-Brücke zurück nach Pest. Sie nahmen ein Taxi zu Zsuzsas kleiner Wohnung im achten Bezirk, und nach
einer Stunde hatte er das Gefühl, kein Bedauern empfinden zu müssen, sollte sein Leben noch an diesem Morgen enden.
    »Gefällt dir das?« Zsuzsas Stimme drang durch die schwüle, nach ihren Vogue-Zigaretten riechende Dunkelheit.
    Er hielt die Luft an und brachte kein Wort hervor. Sie machte etwas mit der Hand, irgendwo zwischen seinen Schenkeln.
    »Das ist Tantra.«
    »Ach?« Ächzend klammerte er sich am Laken fest.
    Es war wirklich die beste aller möglichen Welten.
    Ich erzähle Ihnen jetzt eine Geschichte. Sie dreht sich um den Sudan, die von mir geleitete CIA-Abteilung und China. Jemanden wie Sie wird es nicht erstaunen, dass es auch um Öl geht, wenn auch nicht in der Weise, wie Sie sich das vorstellen.
    Außerdem möchte ich nicht verschweigen, dass es gefährlich ist, von dieser Sache zu wissen. Das beweist allein schon mein Tod. Von jetzt an sind Sie auf sich selbst gestellt. Wenn Ihnen dieser Gedanke unerträglich ist, sollten Sie den Brief sofort verbrennen und ihn vergessen.
    Hinterher, als auf den Straßen Stille herrschte, lagen sie erschöpft zwischen den Laken und starrten hinauf zur Decke. Zsuzsa rauchte, und das Vertraute an dieser Gewohnheit vermischte sich mit etwas Neuem: ihrer Sexualität. Schließlich sagte sie: »Du lässt mich mitmachen, okay?«
    Den ganzen Tag war ihr nicht aufgefallen, dass die Story nicht das Geringste mit Ungarn zu tun hatte, dem einzigen Land, wo ihre Sprachfähigkeiten nützlich waren. Er musste nach New York fliegen, und sie hatte nicht einmal
ein Visum. »Natürlich«, log er, »aber vergiss nicht, was in dem Brief steht – es ist gefährlich.«
    Sie prustete vor Lachen.
    »Was ist?«
    »Terry hat recht. Du bist paranoid.«
    Gray stützte sich auf den Ellbogen und schaute sie lange an. Terry Parkhall war ein Schreiberling, der schon immer auf sie gestanden hatte. »Terry ist ein Trottel. Er lebt in einer Traumwelt. Wenn man nur die geringste Andeutung macht, dass die CIA bei 9/11 die Finger im Spiel hatte, geht er an die Decke. Was soll daran so unglaublich sein in einer Welt, in der es Guantanamo, Folterzentren und einen von der CIA betriebenen Heroinhandel gibt? Terry hat einfach die grundlegende Wahrheit der Verschwörung nicht kapiert.«
    »Und was ist die grundlegende Wahrheit der Verschwörung? «
    »Wenn man es sich vorstellen kann, dann hat es auch schon jemand ausprobiert.«
    Das hätte er lieber nicht sagen sollen. Warum, wusste er nicht, denn sie war zu keiner Erklärung bereit, doch zwischen ihnen entstand plötzlich eine fühlbare Kälte, und er brauchte lange, bis er endlich einschlief. Es war ein stakkatoartiger Schlaf, unterbrochen von aufblitzenden Unruhen im Sudan unter einer staubigen
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