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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler
Autoren: Peter Dempf
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    F rierend erwachte Hannah. Die Kälte griff hart unter ihr Hemd, und sie brauchte einen Augenblick, um sich zurechtzufinden. Jakob lag nicht mehr neben ihr!
    Sie war eng an ihn geschmiegt eingeschlafen, so viel wusste sie noch. Er hatte den Arm um sie gelegt, als wollte er verhindern, dass sie aus dem Bett falle, und sie hatte den Unterarm festgehalten und ihn an sich gepresst. So schliefen sie am liebsten ein.
    Dann überfiel sie dieser Reiz tief im Hals, und sie konnte einen langen Augenblick nichts anderes tun, als ihre Lungen freizuhusten.
    Sie tastete mit der Hand zur Bettkante, doch Jakob saß nicht dort, wie er es oft tat, wenn eine Rezeptur ihn beschäftigte oder wenn er an einer Arznei arbeitete. Oft stand er dann mitten in der Nacht auf und murmelte in ihren Schlaf hinein, er müsse unbedingt wichtige Dinge notieren, bevor er sie vergesse. Dann fuhrwerkte der Apotheker mit Zunder und Stahl herum, um eine Flamme zu schlagen. Schließlich stand er am eigens dafür aufgestellten Pult in ihrer Schlafkammer und schrieb bei abgedeckter Lampe. An diese nächtliche Unruhe ihres Mannes hatte sie sich gewöhnt. Das beständige Reiben seiner kalten Füße an den Waden und das Kratzen der Feder ließen sie normalerweise wieder in den Schlaf zurückgleiten, während er oft bis in den Morgen hinein arbeitete.
    Jetzt jedoch horchte Hannah beunruhigt in die mondloseDunkelheit, die zu knistern schien wie dünnes Eis. Sie hörte keine Feder, kein Eintunken ins Tintenfass, sie hörte nur den Nachtwächter in die Gasse vor dem Haus hineinrufen. Er verkündete die dritte Stunde nach Mitternacht. Doch Jakob stand diesmal nicht am Pult.
    Wieder musste sie husten wie der Webermeister aus ihrer Nachbarschaft, der nachts stundenlang aus hohler Lunge bellte.
    Wo um alles in der Welt war Jakob? Hannah war jetzt hellwach und setzte sich auf. Eine dunkle Vorahnung, die sie sich nicht erklären konnte, aber die wie ein Druck unterhalb des Brustbeins saß, beschlich sie. Mit offenen Augen saß sie in der Schwärze der Nacht und lauschte.
    Vermutlich war Jakob nur in den Hinterhof hinausgegangen, um sich zu erleichtern, und würde sich bald wieder an sie schmiegen, um sich zu wärmen.
    Sie horchte, ob sie Geräusche aus dem angrenzenden Zimmer vernahm. Ihre Tochter Gera schlief in der Mädchenkammer, die nur vom Schlafzimmer der Eltern aus betreten werden konnte. Doch nicht einmal ihren Atem konnte Hannah hören.
    Ihre Gedanken wanderten weiter durch das Haus und suchten die einzelnen Zimmer ab. Jedes der Zimmer hatte für die Hausfrau ein eigenes Geräusch. Über die Jahre hin waren sie ihr so vertraut geworden, dass sie allein am Klang der Worte oder an der Art des Gehens erkennen konnte, wo im Haus sich jemand aufhielt. Und endlich vernahm sie ein Geräusch: Jakob war offenbar im Verkaufsraum der Apotheke. Das leise Knarren der Dielen dort verriet ihr, dass er unruhig hin und her ging. Sicher suchte er nach irgendwelchen Inhaltsstoffen, die er zu einer neuen Arznei zusammenbrauen wollte.
    Gleichzeitig sagte ihr ihr Gefühl jedoch, dass sie sich irrte. Der Schritt, den sie hörte, war nicht hektisch, war nicht getrieben von der Ungeduld und befeuert vom Strom der Gedanken.Er war ... Hannah musste schlucken, denn sie hatte beinahe das Gefühl, die Schritte seien von ... einem Fremden.
    Hastig schlug sie das mit Heu gefüllte Laken zurück. Der Duft des frischen Heus im Inlett wurde mit einem Mal überlagert von einem Geruch, der ihr jetzt beinahe mit Gewalt in die Nase stieg: Rauch. Es roch brandig. Es war nicht die Nachtluft, die knisterte, sondern ...Sofort war sie aus dem Bett. Die Kälte der Holzdielen stach ihr eisig in die bloßen Fußsohlen.
    Sie schnupperte – und dann packte sie das pure Grauen, und sie war wie gelähmt: Es brannte! Es brannte in ihrem Haus! Eine Gänsehaut lief ihr über den ganzen Körper – und plötzlich war ihre Lähmung verschwunden.
    Aus Leibeskräften schrie sie nach ihrem Mann: »Jakob!« Ihre Stimme überschlug sich fast. Das Knistern wurde lauter, und der sargfinstere Schlafraum wurde durch ein Flackern leicht erhellt, das sich unter dem Türspalt hindurchzwängte. Wieder wurde Hannah von dem Hustenreiz gequält, er nahm ihr den Atem und den Mut zu handeln.
    Wo war Jakob? War er wirklich in der Apotheke unten und versuchte vielleicht bereits, die Flammen zu ersticken? Doch sie konnte nun niemanden mehr unten hören. Wie eine Blinde tastete sich Hannah zur Tür.
    Mit zitternden Händen und von
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