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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler
Autoren: Peter Dempf
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her stand in Flammen. Wie glühendes Blei floss die Atemluft in ihre Lungen. Sie fühlte kurz, wie ihre Haut, wie ihre Haare Feuer fingen. Dann ergoss sich aus dem ersten Stock ein Schwall Wasser über sie und schwemmte sie aus der Unterwelt an den Rand der Gasse. Dann krachte der Bottich, in dem sie noch am Abend gebadet hatten, vor ihre Füße.
    Wieder drang der Ruf verzerrt an ihre Ohren: »Lasst den Apotheker niederbrennen. Schützt die gegenüberliegenden Häuser!«
    Ihr Bewusstsein begann zu schwinden, ähnlich der Sonne, die langsam hinter den Horizont sinkt. Sie spürte noch, wie jemand sie an ihrem Nachtgewand packte und sie aus den Trümmern riss, wie sie hingelegt wurde, wie die Helfer über sie hinwegstiegen und das Wasser aus den Eimern auf sie niederschwappte. Dann fühlte, sah und hörte sie nichts mehr.

2
    H annah schrak aus einem Dämmerzustand auf, der sie umfasste wie eine klamme Decke. Alles an ihr war nass. Ihr Gesicht brannte, und ihre Hände fühlten sich an, als lägen sie trotz der eisigen Feuchtigkeit um sie her in glühenden Kohlen. In ihren Ohren hatte sich das Fauchen der Flammen eingenistet und wollte nicht weichen. Nur langsam erwachte die Erinnerung an das, was geschehen war: der Rauch, das Feuer, das brennende Haus, der Wasserguss.
    Als sie die Augen zu öffnen versuchte, waren ihre Lider verklebt, als wären sie in der Hitze des Brandes miteinander verschmolzen. Mit den Fingern zog sie die Hautfalten auseinander, und ein stechender Schmerz durchfuhr sie.
    Der Anblick, der sich kurz darauf ihren entzündeten Augen bot, ließ sie aufstöhnen. Vor ihr lag eine rot schwelende, qualmende, schwarz verkohlte Fläche, aus der sich graue Dampfwolken kräuselten. Davor standen Gestalten, schwarz wie Höllenteufel, und mühten sich mit Wassereimern ab. Dort hatte einmal ihr Zuhause gestanden. Doch jetzt ragten nur noch einige rauchende Balken in die Luft.
    Sie selbst lag gegenüber ihrem Wohnhaus in einer zurückgesetzten Toreinfahrt wie ein abgelegter Sack Lumpen. Die Wände der Häuser links und rechts waren verkohlt, aber heil geblieben.
    Mühsam rappelte Hannah sich auf und schleppte sich zu den Trümmern hinüber. Der Lehm des Fachwerks war zu hartem Ziegel verbrannt. Die Balken glühten noch.
    Hannah stolperte über die Gasse, wo noch immer erschöpfte und über und über verrußte Menschen herumliefen.
    Sie zwängte sich zwischen den erschöpften Helfern hindurch. »Gera? Jakob?«, wollte sie ihnen zurufen. Doch ihre Stimme schien ebenso versengt worden zu sein wie das Haus vor ihr. Sie brachte kein Wort heraus. Sie achtete nicht auf die Hitze, die noch immer von dem Brandherd aufstieg. Hannah erkannte die Überreste des Eingangs zur Apotheke. Links davon musste sich ihr Mann aufgehalten haben. Von dort hatte sie das Geräusch von Schritten gehört. Ihr Blick glitt suchend über die verkohlten Balken und die Reste der Einrichtung. Die Decke war herabgebrochen und hatte die Regale mit sich gerissen. An einer Stelle wölbte sich der Brandschutt. Inmitten der dort aufgetürmten, schwarz verfärbten Tiegel, Porzellanscherben und Balken entdeckte sie tatsächlich die verkohlten Umrisse von Beinen und einen zusammengekrümmt am Boden liegenden Körper. Jakob lag dort, als kauerte er sich angstvoll zusammen.
    »Jakob!«, formten ihre Lippen einen stummen Schrei. »Jakob!«
    Sie wollte zu ihm hinstürzen, doch sie trat auf einen noch glühenden Balken, der sich zischend in die Hornhaut ihrer Füße brannte und sie vor Schmerzen aufheulen ließ. Sie wich zurück und bemerkte, wie Tränen ihr über die Wangen liefen.
    »Jakob!«, hauchte sie noch einmal.
    Doch da wurde sie am Arm gepackt und zurückgerissen.
    »Seid Ihr wahnsinnig, Weib!«, herrschte eine Stimme sie an. Und als Hannah hochsah, blickte sie in das rußige Gesicht ihres Nachbarn. Mit Gewalt zerrte der alte Feingerber Wagner sie von ihrer verkohlten Heimstatt weg.
    Hannah wollte etwas sagen, wollte ihn um Hilfe bitten, doch sie brachte noch immer keinen Ton heraus. Nur ein heiseres Zischen drang aus ihrem Mund.
    Der Alte führte sie zur gegenüberliegenden Hauswand. »Ihrsteht nur im Weg, Weib!«, herrschte er sie an. »Dort ist eine ganze Familie verbrannt. Der Apotheker war ein herzensguter Mensch, genau wie seine Frau. Bestimmt hat er Euch auch einmal geholfen, wie so vielen. Tot. Alle tot. Das Weib, der Mann das Kind. Der Herr erbarme sich ihrer.«
    Der Feingerber verstummte. Man konnte spüren, wie sehr ihn der Tod der
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