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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler
Autoren: Peter Dempf
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heftigem Husten geschüttelt, gelang es ihr, die Klinke zu greifen. Als sie die Tür öffnete, schlug ihr Qualm entgegen, der ein flackerndes Licht mit in den ersten Stock zu drücken schien. Er quoll die Treppe herauf, als schiebe jemand ihn von unten hoch. Wieder bellte sie hustend und rang nach Luft. Sie hatte das grauenvolle Gefühl, ersticken zu müssen.
    »Gera!«, schoss es ihr durch den Kopf. Ihr Kind! Ihre Tochter! Sie tapste ins Schlafzimmer zurück, hastete röchelnd und fast blind durch die von Rauch und Dunkelheit schwarze Nacht zum Mädchenschlafzimmer.
    »Gera!«, schrie Hannah. Ihr war, als müsste sie mit aller Macht ihren Verstand beisammenhalten; der Rauch, die Schwärze der Nacht, das Schweigen ihrer Tochter und die Furcht vor dem Feuer wollten ihn hinwegspülen wie ein Hochwasser. Wie von Sinnen tapste sie in Geras Zimmer umher und tastete auf dem Bett nach ihrem Kind. Doch Geras Bett war leer. Hannah schrie noch einmal aus Leibeskräften den Namen ihrer Tochter. Keine Antwort.
    Ein Poltern im Erdgeschoss übertönte plötzlich alles – offenbar war eines der Regale mit den schweren Tiegeln umgestürzt. Jetzt packte Hannah die Angst wie eine riesige Faust und trieb sie vor sich her. Sie suchte den Weg zurück zur Tür der Schlafkammer. Sie spähte nach unten und sah, wie durch den Rauch bereits Flammen die schmale Stiege heraufleckten. Dann war sie auch schon auf dem Weg hinauf zum Söller. Das Dachgeschoss hatte eine Außentür, die auf den hinteren Garten wies. Dorthin jagte sie mit atemloser Furcht. Doch die Tür nach draußen war verschlossen. In ihrer Hast gelang es ihr nicht, den Bolzen zu ziehen, der den Riegel sperrte. Er klemmte. Verzweifelt warf sie sich gegen die Tür, bis ihr die Schulter schmerzte – und erst der Schmerz gab ihr etwas von ihrem Denken zurück. Sie zitterte, als sie es erneut versuchte. Langsam zog sie diesmal den Sperrbolzen heraus, hob den Riegel – und war, als die Tür aufflog, auch schon auf dem rückseitigen Dachbalkon. Doch aus dem Hof unten leckten bereits mannshohe Feuerzungen empor. Der ganze Lichthof unter ihr stand in Flammen. Das Heu für die Ziegen, der Hühnerstall, der Raum mit den Kräutern, alles brannte und prasselte in einem verzehrenden Knacken und Knistern. Der Fluchtweg hinab und durch die hintere Pforte hinaus war ihr versperrt. Wieder packte das Entsetzen sie und fror sie regelrecht ein. Ungläubig starrte sie auf die rot züngelnden Fackelhände unter ihr, die sich nach ihr streckten, und rief Jakobs Namen. Einehochschießende Lohe, als der Hühnerstall in sich zusammenbrach, versengte ihr die Haare und zwang sie, den Kopf zu wenden – und wie zufällig fiel ihr Blick dabei auf das Nachbardach und die beiden Leitersprossen vom Dachbalkon dort hinauf. Sie führten aufs Dach und von dort aus ... Kaum hatte sie das Ende dieses Gedanken ergriffen, lenkte der Instinkt den Körper. Sie kletterte die beiden Stufen hoch, kroch auf das Hausdach und sprang laut schreiend vor Angst über den Abortspalt zwischen den Häusern. Dann rannte sie über das Dach des Nachbarn und musste ein weiteres Mal über einen Spalt hinwegsetzen.
    Jakob war diesen Fluchtweg mit ihr schon zweimal gegangen. Sie kannte ihn auch des Nachts, erinnerte sich mit einem Mal an die Abstiege und plötzlich auch wieder an die Warnung, dass mindestens zwei Häuser zwischen ihr und dem Brandherd liegen sollten, damit sie unbeschadet davonkam. Diese wichtigen Hinweise hatte Jakob ihr einmal für solch eine Notlage gegeben, und nun schossen sie ihr wie Blitze durch ihren vor Angst wie leergefegten Verstand. Sie ließ sich an einem Seil hinab, das als Warenwinde gedacht war, und verbrannte sich dabei die Hände, weil sie es nicht fest genug hielt und wie rasend abwärtsglitt.
    Unsanft schlug sie im Garten eines Gerbers auf, der vier Häuser weiter wohnte, und stolperte in der Finsternis gegen einen Gärbottich. Eine übel riechende Brühe schwappte über ihr Nachthemd und besudelte sie. Das Tor öffnete und schloss sich wie das bei ihnen zu Hause. Diesmal gelang es ihr schneller, es zu öffnen, und plötzlich stand sie auf der Gasse.
    Niemand war mehr unterwegs. Der Nachwächter hatte alle Bürger längst in die Betten getrieben. Die Straßen waren leer. Hannah stolperte zurück in Richtung ihres Hauses.
    Vom Ende der Gasse drohte ein feuriger Lichtschein. Jakob und Gera waren womöglich noch im Haus! Unvermittelt begann Hannah zu schreien, aus Leibeskräften zu schreien.
    Fenster
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