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Last days on Earth

Last days on Earth

Titel: Last days on Earth
Autoren: Susanne Gerdom
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Schütteln in
der Luft einigermaßen ab. Dann sah sie sich um. Zucker. Löffel. Milch? Gab es
genießbare Milch in diesem Haushalt?
    Eine innere Stimme warnte sie, als sie sich dem Kühlschrank näherte.
Es war ein silbernes Riesending, zweitürig, so hoch wie sie selbst, und die
linke Tür öffnete sich schmatzend, als sie am Griff zog.
    Karla schrie auf. Sie schmetterte die Tür wieder zu und wich an die
Spüle zurück, wobei sie den Kühlschrank nicht aus den Augen ließ. Hatte es sich
noch bewegt? Nein, es war tot. Ganz und gar und hundertprozentig sicher war es
tot. Ein wesentlicher Teil seines Körpers fehlte, und der glasige Blick glich
dem von vergammelndem Fisch auf dem Wochenmarkt.
    Karla bemerkte, dass sie sich die Finger so heftig an der Hose
abwischte, dass ihre Haut zu brennen begann.
    Die Küchentür knallte gegen die Wand, und der Irre stand im Rahmen.
Karla begegnete seinem Blick und wünschte sich, sie hätte ihren
Bereitschaftskoffer dabei. Eine Austreibung hatte sie schon gemacht, aber wahrscheinlich
wäre eine komplette Bannung die angemessenere Maßnahme gewesen.
    Das hagere, adlernasige Gesicht des Mannes verlor seinen finsteren
Ausdruck. Winter wirkte sogar ein wenig verlegen. Er hob die Hand, rieb sich
über die Wange, was ein kratzendes Geräusch machte, und sagte: »Sie haben die
falsche Seite vom Kühlschrank geöffnet.«
    Karla fiel auf, dass er frische Kleider trug und die Haare gewaschen
und zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Er sah nicht mehr ganz so
verlottert aus. Sie riss sich von seinem Anblick los und nickte. »Wer war das?
Und muss ich die Kollegen vom Mord holen, oder folgen Sie mir freiwillig zur
Dienststelle?«
    Seine Miene zeigte einen Moment lang völlige Verständnislosigkeit.
Dann hob er die Hand und deutete grimmig auf ihre Brust: »Sie werden gar
nichts, Magistra. Ich habe nichts verbrochen.«
    Karla schnappte nach Luft. »Und die Leiche in Ihrem Kühlschrank?
Die …«, sie schluckte ein Würgen hinunter, » angefressene Leiche? Das ist nichts?«
    Er schnaubte. »Ich besitze die erforderliche Lizenz. Das da in der
Kühlung ist Brads Monatsration. Ignorieren Sie sie einfach. Meine Hälfte vom
Kühlschrank ist rechts.«
    Karla starrte ihn sprachlos an. Dann sagte sie voller Empörung: »Ihr
Daimon tötet Menschen und lagert sie in Ihrem Kühlschrank?«
    Raoul schob sie beiseite und stellte die Tassen unter die Maschine.
»Natürlich nicht«, erwiderte er. »Ich werde vom Leichenschauhaus beliefert.«
    Karla entschied, das Thema zu wechseln.
    Sie tranken ihren Kaffee im Arbeitszimmer, schweigend, während
sie das heiße, bittersüße Getränk zu sich nahmen. Karla fiel auf, dass Winter
aussah, als hätte er eine ordentliche Mahlzeit und ein paar Stunden Schlaf
dringend nötig. Sie verdrängte mit Macht das Bild, wie er – nein, Brad – an der
gekühlten Leiche nagte, und gab sich der Hoffnung hin, dass er sich wenigstens
hinterher gründlich die Zähne putzte.
    Â»Wollen wir uns über den Fall unterhalten?«, fragte sie zur
Ablenkung.
    Raoul Winter, der mit lang ausgestreckten Beinen in seinem
Schreibtischsessel ruhte, die Hände über dem Bauch verschränkt, und mit halb
geschlossenen Lidern zu dösen schien, sah auf und verzog das Gesicht. »Ich erinnere
mich nicht, hat Brad die Akte gelesen?«
    Â»Er hat einen kurzen Blick darauf geworfen. Wenn Sie sie lesen
möchten …« Sie griff nach dem achtlos beiseitegelegten Ordner.
    Winter schloss die Augen und winkte ab. »Heute nicht mehr«, sagte er
matt. »Ich werde mich jetzt erst einmal ein paar Stunden hinlegen. Wenn wir
Glück haben, ist Brad morgen wieder da, und dann können wir loslegen.«
    Karla schlug auf den Tisch und beugte sich vor, um Winter direkt ins
Gesicht zu sehen. »Hör zu, mein Junge«, sagte sie gefährlich leise, »wenn du
meinst, mich herablassend behandeln zu dürfen, hast du dich geschnitten. Du
bist ein arroganter, widerlicher, verkommener Irrer, und von deiner Sorte kenne
ich mehr als genug. Wenn du versuchst, mit mir ein Wettpinkeln zu veranstalten,
garantiere ich dir, dass du das Spiel verlieren wirst.«
    Sie richtete sich auf, nahm ihren Rucksack und setzte kühl hinzu:
»Wir sehen uns dann morgen um vierzehn Uhr, Herr Winter. Ich werde bei der MID ein Büro für uns reservieren.
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