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Last days on Earth

Last days on Earth

Titel: Last days on Earth
Autoren: Susanne Gerdom
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neutralen Ausdruck. »Wie schön«,
sagte sie. Ihre Stimme klang ein wenig zu enthusiastisch in ihren Ohren, und
sie regulierte den Tonfall sorgfältig, ehe sie fortfuhr: »Gibst du es mir,
damit ich es nachher lesen kann? Ich muss gleich gehen.«
    Seine Lider zuckten kurz und schmerzlich. Er hatte feine Ohren, und
der falsche Klang ihrer Stimme war ihm nicht entgangen.
    Karla beugte sich vor und nahm seine Hand. »Christopher, mein
Liebster, wir beide wissen es und sollten uns nichts vorspielen. Deine Gedichte
sind nicht mehr wie früher, sie sind nicht mehr so …«
    Sie suchte nach dem richtigen Wort, und Kit ergänzte grimmig: »Gut.
Sie sind nicht mehr gut.«
    Er zog seine Hand aus ihrer und griff nach der Kaffeetasse. »Das ist
ein Preis, den ich zahlen muss«, sagte er. »Ein paar Jahre war der Genius noch
bei mir, dann hat er mich verlassen. Für immer. Wahrscheinlich bin ich ihm
langweilig geworden.«
    Karla schauderte unwillkürlich. »Wünsch dir lieber keinen Genius«,
sagte sie heftig. Sie sah auf die Uhr: »Kit, ich muss los.« Sie küsste ihn fest
auf den Mund. »Darf ich wiederkommen? Damit du mir dein Gedicht vorträgst? Sie
sind nicht schlecht, mein Lieb. Nur vielleicht nicht mehr ganz so atemberaubend
und hinreißend gut wie deine frühen Werke.« Sie legte die Hand auf seine Wange
und erwiderte seinen Blick.
    Er nahm ihre Hand und küsste ihre Finger. »Ich lese es dir gerne
vor. Und weil du so brav warst, auch ein oder zwei Sonette aus meiner Jugend.«
Er lachte.
    Karla warf ihm eine Kusshand zu und ging durch die Terrassentür
hinaus. Das war der kürzeste Weg zur Straße. Außerdem musste sie so nicht durch
den öffentlichen Teil des Hauses. Es würde sie in arge Erklärungsnotstände
bringen, wenn ein Kollege oder – die Götter mögen es verhindern – ihr Chef sie
aus dem Haus kommen sähe. Sie stellte sich Korngolds Miene vor: »Was treiben
Sie in einem solchen – äh – Etablissement, Magistra van Zomeren?« Kichernd ging
sie zum Taxistand.

 

    12. 19. 19. 03. 19.
    Mick saß an Karlas Schreibtisch, hatte die Füße gegen die
Kante gestemmt und aß ein dick belegtes Brot. Mick saß immer an Karlas
Schreibtisch, weil sie so aus dem Fenster sehen konnte.
    Â»Runter von meinem Stuhl«, sagte Karla und stellte ihren Rucksack
und den Pappbecher mit Kaffee auf Micks Butterbrotpapier. Sie legte die Zeitung
daneben, die sie unten am Kiosk gekauft hatte, und hängte ihre Jacke an den
Haken.
    Mick räumte ohne Murren den Platz und ließ nur ihre Krümel da.
    Karla wischte mit der Hand über die Fläche, hob die Braue, als sie
einen Kaffeering auf einem Bericht des Labors entdeckte, und ließ sich auf
ihren Stuhl fallen. Sie zog den Deckel vom Becher ab und wartete, bis der Dampf
sich verzogen hatte. Dabei warf sie einen flüchtigen Blick auf das Titelblatt
der Boulevardzeitung. »Neuer Supervulkan in Kasachstan entdeckt«, verkündete
die Schlagzeile in Rot. Darunter stand wenig kleiner: »Wird so unser Ende
aussehen?« Unter der Schlagzeile prangte eine Fotomontage, die eine brennende,
unter Lava verschwindende Großstadt zeigte.
    Karla nippte an dem Kaffee, verbrannte sich die Zunge und griff nach
der Schere, um den Artikel auszuschneiden.
    Mick, die inzwischen an ihrem Tisch Platz genommen hatte, gluckste.
»Wieder etwas für deine unheilvolle Sammlung, Kassandra?«
    Karla würdigte sie keiner Antwort. Stattdessen griff sie nach einer
Sichthülle und tütete den Ausschnitt ein, beschriftete das Ganze ordentlich mit
dem Datum und heftete die Hülle ab. Dann blätterte sie den Rest der Zeitung
durch, aber es gab keine weiteren Weltuntergangsmeldungen.
    Â»Erzähl schon«, sagte Mick, die gelangweilt in einer Akte
herumkritzelte. »Wie ist dein neuer Partner? Wann bekomme ich ihn zu sehen?«
    Â»Wenn die Hölle einfriert«, murmelte Karla und sagte lauter: »Er ist
irre. Du willst ihn nicht kennenlernen, glaube mir.«
    Mick lachte. »Die Dunklen sind alle irre«, gab sie vergnügt zurück.
»Das gehört bei denen zur Grundausstattung, sonst wären sie ja nicht auf der
dunklen Seite gelandet. Also, erzähl schon! Wie sieht er aus?«
    Karla schüttelte den Kopf. Der gestrige Nachmittag war in ihrer
Erinnerung noch zu frisch, um darüber lachen zu können. Sie murmelte etwas
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