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Last days on Earth

Last days on Earth

Titel: Last days on Earth
Autoren: Susanne Gerdom
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erschreckend wenig, wenn man sich nicht mit den
oberflächlichen Antworten zufriedengeben wollte.
    Â»Du hast aber einen Termin mit ihm gemacht?« Mick ließ nicht locker.
Sie lehnte nun lässig an der Fensterbank.
    Karla legte ihren Stift beiseite und verschränkte die Arme. »Ich
habe einen Termin mit ihm gemacht, den er nicht einhalten wird«, erklärte sie
geduldig. »Ich werde eine halbe Stunde auf ihn warten, und dann gehe ich zum
Chef und bitte darum, mich einstweilen ohne Partner arbeiten zu lassen.«
    Mick sah aus dem Fenster. »Das ist gegen die Vorschriften.«
    Karla erwiderte nichts. Sie kannte die Vorschriften so gut wie Mick – wahrscheinlich sogar besser, weil sie schon deutlich mehr Zeit damit
verbracht hatte, gegen einen Haufen davon zu verstoßen. »Wie auch immer«, sagte
sie schroff, »der Irre wird nicht auftauchen.«
    Â»Hm«, machte Mick und starrte weiter aus dem Fenster. »Was fährt er
eigentlich für ein Auto?«
    Â»Woher soll ich das wissen? Mick, Schätzchen, lass mich doch einfach
arbeiten, ja?«
    Ihre Kollegin ließ sich nicht beirren. Sie klebte an der
Fensterscheibe und schielte in den Hof. »Wie sieht er aus? Erzähl mal, du hast
noch gar nichts gesagt!«
    Karla stieß entnervt Luft durch die Nase. »Er ist größer als ich,
dürr wie eine Zaunlatte und sieht aus wie ein Penner.«
    Â»Schade, dann ist er es nicht.«
    Â»Wer?«
    Â»Der Typ, der da unten gerade aus seinem Jaguar gestiegen ist.«
    Karla holte tief Luft, um ein Donnerwetter loszulassen, als ein
Klopfen sie unterbrach. »Ja, bitte?«, rief sie ungeduldig.
    Â»Verzeihung, ich suche Magistra van Zomeren.«
    Karla riss ihren Blick von Micks breitem Grinsen los und sah zur
Uhr. Der Kerl war pünktlich auf die Sekunde erschienen.
    Sie seufzte und drehte sich um. »Herr Winter …« Sie verstummte.
Und schluckte. »Äh«, sagte sie. »Äh, ich – ich habe mich noch nicht um unseren
Arbeitsraum gekümmert. Wenn Sie einen Moment hier warten würden? Ich bin gleich
zurück.« Sie rettete sich an ihm vorbei aus der Tür und spürte seinen
amüsierten Blick im Nacken.
    Draußen lehnte sie sich einen Moment gegen die Wand und ordnete ihre
Gedanken. Warum hatte sie erwartet, dass er auch heute aussehen würde wie ein
Penner? Der Mann, der jetzt in ihrem Büro stand, trug einen dunklen,
dreiteiligen Maßanzug unter einem schmal geschnittenen Wollmantel. An den Füßen
glänzten Lederschuhe, das blendend weiße Hemd schmückte eine dezente Krawatte
mit silberner Nadel, ein Silberring schimmerte am Finger, in der Hand hielt er
einen ebenholzschwarzen Stock mit silbernem Knauf, der wie ein Vogelkopf
geformt war, und ein breitkrempiger Hut vervollständigte das Bild aus dem
Modejournal für den extravaganten Dandy-Magier.
    Das adlernasige Gesicht unter der Hutkrempe war tadellos rasiert,
der eckige Kinnbart sauber gestutzt, und die tiefen Ringe unter seinen Augen
waren zu Schatten verblasst, die dem langen Gesicht einen melancholischen
Ausdruck verliehen.
    Karla stieß sich von der Wand ab. »Die ganze Show zieht er doch nur
ab, um mich zu ärgern«, grummelte sie.

 

    12. 19. 19. 03. 19.
    Raoul genoss den Moment, in dem die Miene der Blondine
entgleist war. Ihr fassungsloses Staunen war den Aufwand wert gewesen, den er
heute früh in seinem Ankleidezimmer betrieben hatte. Brad hatte in seiner
Garderobe so gut wie kein Teil übrig gelassen, das noch tragbar gewesen wäre,
aber diesen Anzug, den er zu Toras letztem 60. Geburtstag gekauft hatte, hatte
Brad wohl übersehen. Oder er hatte ihm nicht gefallen.
    Er wischte das breite, triumphierende Lächeln von seinem Gesicht und
wandte sich der rothaarigen jungen Frau zu, die ihn ungeniert anstarrte.
    Â»Mick«, sagte sie, als sie sich seiner Aufmerksamkeit sicher war.
»Ich bin Karlas Kollegin. Freut mich.« Sie hielt ihm die Hand hin.
    Er nickte und lächelte. Die Unsitte des Händeschüttelns war etwas,
das er grundsätzlich vermied. Man erfuhr mehr über sein Gegenüber, als einem in
der Regel lieb war – und, noch schlimmer: Man gab selbst zu viel von sich
preis.
    Â»Darf ich mich setzen?«, fragte er.
    Mick deutete auf den Stuhl. »Karla wird sicher nichts dagegen
haben.« Das Mädchen setzte sich neben ihn auf die Schreibtischkante. Sie war
nicht sehr groß und hatte ein
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