Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Last days on Earth

Last days on Earth

Titel: Last days on Earth
Autoren: Susanne Gerdom
Vom Netzwerk:
berührt.
    Er gab mit keinem Zeichen zu erkennen, dass er ihr Eintreten
registriert hatte. Seine Pupillen, die Karla im Spiegel sehen konnte, waren so
geweitet, dass seine vorher goldbraunen Augen vollkommen schwarz erschienen. Er
hatte die Zähne fest zusammengebissen, als wollte er verhindern, dass sich ein
Schrei oder ein Stöhnen zwischen seinen Lippen hervordrängte. Sie sah die hervortretenden
Sehnen an seinem Hals und die weißen Fingerknöchel und schluckte einen Fluch
hinunter. Das war ein Fall aus dem Lehrbuch. Wieso hatte der Idiot den Spiegel
nicht verhängt? Und wenn er ihn schon nicht verhüllte – was ja beim Rasieren
durchaus unpraktisch sein musste –, wieso hatte er sich geradewegs in die Augen
gesehen?
    Ohne weiter nachzudenken, holte sie ihre Waffe aus dem
Schulterhalfter, legte auf ihn an, entsicherte und zielte. Ihre Hände waren
vollkommen ruhig. Sie gab ein wenig Druck auf den Abzug und sagte laut: »Erste
und letzte Warnung: Verlassen Sie sofort diesen Mann! Ich zähle bis drei. Eins … zwei …«
    Winter hob die Hände und drehte sich zu ihr um. Sein Blick, immer
noch mit extrem geweiteten Pupillen, fixierte sie. Er zog die Lippen zu einem
unverhohlenen Zähnefletschen zurück, und ein drohendes Knurren kam aus seiner
Kehle. Er machte einen Schritt auf sie zu.
    Â»Drei«, sagte Karla und drückte ab.

 

    12. 19. 19. 03. 18.
    Sein Schädel dröhnte, und der Nacken schmerzte, als hätte
er einen Schlag mit einem Bleirohr abbekommen. Er öffnete die Augen und schloss
sie gleich wieder, weil das grelle Licht sich mit spitzen Dornen durch seine
Augen in den Hinterkopf bohrte.
    Â»Was …?«, murmelte er und ließ sich von der großen, blonden
Fremden aufhelfen. »Was ist …?« Er hielt inne und lauschte. Da stimmte
etwas nicht.
    Er erwiderte den Blick der Frau. »Wer sind Sie? Wie sind Sie hier
hereingekommen?« Er rieb sich den schmerzenden Nacken.
    Ohne den Blick abzuwenden, griff sie in die Tasche ihrer Lederjacke.
Bei der Bewegung sah er kurz ein Schulterhalfter aufblitzen. Dann hielt sie
ihre Marke hoch. Eine Magistra. Was trieb eine MID -Beamtin
in seiner Wohnung?
    Â»Van Zomeren«, sagte sie. Er brauchte einen Moment, bis er begriff,
dass das ihr Name sein musste. Er stand wackelig auf und sah sich um. Das war
sein verdammtes Badezimmer. Was trieb die Beamtin in seinem Bad?
    Â»Ich habe Gebrauch von meiner Schusswaffe machen müssen«, erklärte
sie. »Geht es Ihnen gut? Benötigen Sie einen Arzt?«
    Â»Unter mir wohnt einer«, sagte er und lachte kurz auf. »Dr.
Frankenstein – äh – Frankenheim. Psychiater. Brauche ich einen Arzt? Sagen Sie
es mir.«
    Sie kniff die Augen zusammen. »Fühlen Sie sich desorientiert? Haben
Sie körperliche Ausfallerscheinungen irgendwelcher Art?«
    Er schloss die Augen und ging im Geiste seine Körperteile durch. Es
schien alles an Ort und Stelle zu sein. Allerdings war er ein wenig
desorientiert, was daran lag, dass etwas fehlte. Etwas existenziell Wichtiges.
Brad.
    Er riss die Augen auf und machte einen Schritt auf die Beamtin zu.
»Verdammt, was haben Sie da angerichtet?«, fauchte er. Er drängte sie grob
beiseite und stürmte aus dem Badezimmer.
    Sie folgte ihm gemächlich. »Was ich angerichtet habe?«, hörte er sie
sagen. »Ich habe nach Dienstvorschrift VII /b/*3
einen Eindringling entfernt, der Ihr Bewusstsein und Ihren Körper übernommen
hatte. Wenn Sie Grund zur Beschwerde sehen, können Sie diese über den normalen
Dienstweg einreichen.«
    Er schaltete das Bürokratengeschwätz stumm und ließ sich in seinen
Schreibtischsessel fallen. Während er erbittert auf seinem Daumennagel
herumkaute, ging er die Möglichkeiten durch, die ihm jetzt blieben. Er konnte
sich mit der Hexe herumstreiten, wenn es sein musste bis hin zu einer
Dienstaufsichtsbeschwerde. Allerdings war ihm bewusst, dass seine Aussichten,
damit irgendetwas zu erreichen, gleich null waren. Darüber hinaus konnte er
sich ganz dunkel daran erinnern, dass er mit Tora telefoniert hatte und dass
die schießwütige Magistra ein gewisses Recht hatte, sich in seiner Wohnung
aufzuhalten. Oder?
    Â»Habe ich Sie reingelassen?«, fragte er.
    Sie sah ihn verblüfft an. »Ja«, erwiderte sie. »Mann, erinnern Sie
sich wirklich an gar nichts? Der Inkubus muss Sie ja komplett dominiert
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher