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Lasst uns froh und grausig sein

Lasst uns froh und grausig sein

Titel: Lasst uns froh und grausig sein
Autoren: Friederike Schmöe
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Laufband. Unwetterwarnung für Nordbayern. Schneeglätte und Blitzeis.«
    »Da kann man froh sein, wenn die Heizung läuft«, bestätigte Caren. »Hier, ich habe noch ein paar Lebkuchensterne gefunden. Hat Nora auch selbst gebacken. Also: Gefüllte Paprika, teils auch Tomaten und Kohl«, wandte sie sich wieder Dante zu.
    »Womit gefüllt?« Der Reporter wies auf das Blatt. »Man kann’s kaum lesen.«
    »Mit Hackfleisch!«
    »Bei Hackfleisch weiß man nie, was man kriegt«, bemerkte der Saxofonist.
    »Ich finde gefüllte Paprika jetzt auch nicht so weihnachtlich«, fuhr Dante fort. »Hier, das klingt doch schon besser. Lammcurry mit Kokosflocken und fritierten Bananenscheiben!«
    »Mir läuft das Wasser im Mund zusammen!« Caren nahm einen Lebkuchenstern und biss hinein. »Nora kann wirklich wahnsinnig gut kochen. Haben Sie schon mal ihre Muschelsuppe probiert? Höllisch gut.«
    »Stimmt«, ließ sich der Saxofonist vernehmen, ohne den Blick vom Fernseher zu wenden. »Es geht schon los. Verkehrschaos! Ab dem Dreieck Vogtland geht auf der A 9 Richtung Süden nichts mehr.«
    »Das Spiel heißt Winter und beginnt jedes Jahr aufs Neue.« Caren beugte sich zu Dante. »Ich würde vorschlagen: Einen Aperitif, vielleicht einen besonders stark gewürzten Punsch, anschließend die Muschelsuppe mit Knoblauchbaguette. Dann als zweiten Gang etwas richtig Bayerisches. Ochsenmaulsalat! Das kann Nora gut. Ja, und dann: Lammcurry. Na?«
    »Da stellt sich ein LKW quer und blockiert die Autobahn für den Rest der Nacht«, beschwerte sich der Typ im Anzug. »Ein einziger Mensch setzt Tausende fest! Gehört bestraft, so was.«
    »Als Nachspeise würde ich diese vorzüglichen Lebkuchensterne vorschlagen.« Der Cappuccino weckte Dantes Lebensgeister. Eigentlich hatte er längst zu Hause sein wollen. Nach den vielen Abendterminen in den letzten Wochen sehnte er sich nach einem ruhigen Abend auf dem Sofa. Aber dann dachte er daran, dass seine Schwester mit ihrem neuen Freund ihren Besuch zu Weihnachten angekündigt hatte. Der Gedanke machte ihn so schlapp, dass er sich kaum rühren konnte.
    »Wissen Sie, was letztes Jahr passiert ist? Nicht in Bamberg. In Kulmbach? Sie werden es nicht glauben«, fing Caren an. Dann begann sie zu erzählen:
     
    Bös gezeichnet!
     
    Es war jedes Jahr dieselbe Hetzerei, während mir das ewig gleiche Gedudel von »O du Fröhliche« und »Süßer die Glocken« mächtig auf die Nerven ging. Ich schleppte mich nach Dienstschluss über den Kulmbacher Weihnachtsmarkt, um die Mitbringsel für die Verwandten zusammenzukaufen. Weihnachten ist eine klasse Geschichte, wenn man das Weihnachtsgeld auf dem Kontoauszug vorfindet, aber zum Erbrechen, wenn die Verwandtschaft anrückt oder Geschenke einfordert. Schließlich ist dann die Hälfte von der Extrakohle gleich wieder weg. Missmutig stapfte ich durch die braune Matsche zu meinen Füßen. Jemand fegte mir den Puschel seiner frisch erworbenen Weihnachtstanne ins Gesicht. Ich spuckte Nadeln, fluchte und sah argwöhnisch nach meiner Ausbeute: Kunstvolle Kugelkerzen für Tanten und Cousinen, jedes Jahr viele A und O wert. Schnaps, der Urtropfen aus der hiesigen Brennerei, für Onkel und Vettern. Fehlten noch die milden Gaben für die Nichten und Neffen, alles verwöhnte Kinderchen mit Markenklamotten, Videospielen, chronisch angewidertem Gesichtsausdruck und verkrüppelter Feinmotorik. Mehr Kids als Kinder. Schon das Wort kotzte mich an: Kids. Cool. So cool, dass sie ihr Herz wahrscheinlich in einer eisgekühlten Konservenbüchse aufbewahrten.
    Ich kaufte mir einen Becher Glühwein und schlenderte weiter. Wurde geschoben. Getreten. Angerempelt. Der Glühwein tropfte auf meinen Mantel. Als Beamtin und Vorbild der vorweihnachtlichen Liebesgesellschaft verbiss ich mir eine Replik und trat in den Schatten des nächstbesten Standes, um in Ruhe das süße Gesöff auszunuckeln. In der Bretterbude gab es allerlei Gerangel und Gelächter. Ein Handy klingelte und eine fröhliche, sehr junge Stimme verabredete sich mit einem Kerl. Ich lehnte mich gegen die Wand und sah in den düsteren Himmel hinauf. Regen nieselte auf mein Gesicht. Ich hatte keine Lust. Keine Lust zu dem ganzen Weihnachtskram, der verzuckerten Musik und den romantischen Lichterlein. Wenig überzeugt betrachtete ich den Inhalt meiner Plastiktüte. Über fünfzig Euro für Kerzen, die in Tante Consuelos Korridorschrank eingemottet werden würden, denn »die sind ja zu schade zum Anzünden«. Mein Flug ging am
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