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Lasst uns froh und grausig sein

Lasst uns froh und grausig sein

Titel: Lasst uns froh und grausig sein
Autoren: Friederike Schmöe
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allein ausgelobt?«
    »Zusammen mit dem Kulturamt.«
    »Namen?«
    »Frau Sabine Heller. Wilhelmine Mais hat den Kontakt hergestellt.«
    »Die 2. Bürgermeisterin?«
    »Genau. Wir machen zusammen Jazztanz.«
    »Wie lief das denn genau ab mit dem Wettbewerb?«
    »Wie in der Branche üblich«, sagte Tessi. »Wir haben im März eine Ausschreibung gemacht. Kulmbacher Karikaturen. Es kamen viele schlechte Einsendungen. So hatten wir uns das nicht vorgestellt. Einsendeschluss war der einunddreißigste August. Einen Tag vorher trudelten Enikös Zeichnungen hier ein. Ein Glücksfall. Ansonsten hätten wir den Preis kaum vergeben können.«
    »Sind die anderen Karikaturen so miserabel?«
    »Kaffee?«
    Ich nickte.
    »Wir wollten was Fetziges. Einen Reißer. Kann man in unserer ländlichen Gegend vielleicht nicht erwarten.«
    Ich nahm die Tasse entgegen und vermutete: »Jetzt verkauft sich Enikös Postkartenbuch bestens?«
    Tessi Gerber zuckte leicht zusammen. »Ausverkauft. Wir lassen nachdrucken, in aller Eile. Heute Nachmittag kommen die neuen Exemplare.«
    »Ich hätte gern die Namen aller anderen Einsender. Inklusive der Zeichnungen.«
    Mit einer dicken Akte unter dem Arm marschierte ich hinaus. Von Osten her bahnte sich ein scharfer Wind seinen Weg in die Fußgängerzone.
     
    *
     
    Tjark hockte an seinem Schreibtisch, als ich beschneeflockt hereinstürmte. Er hielt mir eine Karikatur unter die Nasenlöcher.
    »Schau mal. Dr. Bundschuh.«
    »Und?« Ich glotzte auf einen dicken Kerl, dem schiefe Zähne aus dem Mund wuchsen, während ihm ein Heiligenschein, beschwert von einer Ansammlung grunzender Schweinchen, über den Kopf glitt.
    »Na ja, genauso schaut er aus«, kommentierte ich.
    »Bundschuh wird aufs Korn genommen, weil er die Schweinegrippepanik gekriegt hat und sich außerdem mehr um sein Äußeres kümmert als um das gesundheitliche Wohl der Bevölkerung. Wie Berlusconi übrigens.«
    »Pass mal auf, Chef«, fuhr ich meinen Vorgesetzten an. »Ich habe ihn weder gewählt noch habe ich mich von ihm kaufen lassen!« Ich fügte ein paar scharf gewürzte neapolitanische Lebensweisheiten an.
    Tjark machte eine wegwerfende Handbewegung.
    »Ist dir aufgefallen, dass ein Reporter von der Bayerischen Rundschau am Stand war, als Enikö umgebracht wurde?«
    »Nö.«
    »Zeugenaussagen nicht gelesen?« Er hob die Hand, bevor ich den nächsten Wutanfall bekam. »Klar, du hattest alle Hände voll zu tun und gute Arbeit geleistet. Ja, da war tatsächlich einer vor Ort. Georg Henrich. Und jetzt lies mal.«
    Er hielt mir die Zeitung vor die Nase. Ich brauchte nur das Foto zu sehen. Mich selbst mit einem Cocktail in der Hand, mitten in der Schlange vor dem Signiertisch.
    »Sehr fotogen«, witzelte Tjark.
    ›Hauptkommissarin Clemenza Conzi war zufällig vor Ort‹, las ich, ›und kümmerte sich sofort um die Beweisaufnahme und Spurensicherung.‹ Der Typ hatte ja wirklich nicht den Hauch einer Ahnung.
    »Befördert hat er dich auch«, ermunterte mich Tjark. »Tine checkt ab, wer eigentlich Gelegenheit hatte, das Gift in Enikös Getränk zu mischen. Volkwin kümmert sich um ihren persönlichen Hintergrund.« Er räusperte sich. »Und, Clemenza?«
    »Was?«
    »Urlaub ist nicht. Nicht jetzt. Vorhin hatte hier schon Frau Bürgermeisterin ihren Auftritt, ließ sich einen Tee brauen und verlangte Aufklärung bis zum Weihnachtsabend. Wir sollen ihr die Kladde gewissermaßen im Glanzpapier unter den Christbaum legen.«
    Er erwartete Widerworte, aber ich fühlte mich regelrecht glücklich. Die Mischpoke konnte ohne mich feiern.
     
    *
     
    Tjark leitete seit einem guten Jahr das Kommissariat eins. Seitdem waren die Sitzungen um einiges besser organisiert als unter seinem Vorgänger. Wir erfuhren also recht flott, dass Enikö Marai noch keine ausgewachsene Lehrerin war, sondern Referendarin am hiesigen Gymnasium, dass ihre Eltern seit einigen Jahren wieder in Ungarn lebten und Kollegen und Freunde Enikö als lebensfroh und humorvoll lobten. »Kaum einer wusste von ihrem zeichnerischen Talent«, fügte Volkwin hinzu.
    »Ich kann euch nichts weiter berichten«, seufzte Tine und machte eine Kaugummiblase. »Jeder hätte an Enikös Glas herankommen können. In dem Gedränge …«
    Ich unterbrach sie: »Wer mixte die Drinks?«
    »Eine Mitarbeiterin von Tessi Gerber, eine gewisse Doris Mey. Sie wollten was anbieten, das nichts mit Weihnachten oder so zu tun hatte.«
    »Ja, klar«, fuhr ich ungeduldig dazwischen. »Wer besorgte die Zutaten? Wer hatte
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