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Lasst eure Kinder in Ruhe

Lasst eure Kinder in Ruhe

Titel: Lasst eure Kinder in Ruhe
Autoren: Wolfgang Bergmann
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Geisteswissenschaften die Feinheit des Wortes, der verbogene und offene Klang ein Teil der Wahrhaftigkeit ist, gehe ich im Folgenden auf seine Fröbel-Zitate und seine Kommentare dazu ein. Sie sind nach meiner Kenntnis all dessen, was seit 200 Jahren bis heute gedacht und geschrieben wurde, noch immer ein recht einsamer Höhepunkt. Die moderne Förderpädagogik, Didaktiken usw. wirken daneben oft ärmlich.
    Liegle formuliert so: »Was Fröbel sehr früh erkannt ... hat, das Wissen durch eigene Erfahrung, durch Selbsttätigkeit zu Ihrem Eigenen wird. Sonst ist es aufgesetzt. (…) Das macht den Fröbel so modern, das sagt heute die Hirnforschung auch: Man kann Wissen nicht übertragen. Wissen muss in jedem Hirn neu erschaffen werden.« 1

    Welcher abenteuerliche und ordnende Erkundungsgang des Wirklichen ist dabei nun die Aufgabe der Erwachsenen, die von Mama und Papa und anderer Bezugspersonen zuerst, dann der Kindergärtnerin? Fröbel gründete, um in diesem zentralen Punkt keine Fehler aufkommen zu lassen, 1842 Kurse für Kindergärtnerinnen. Fröbel sinngemäß: Kindergärtnerinnen müssen das Wesen des Kindes erkennen.
    Hören wir genau hin, das Wesen des Kindes zu erkennen. Nicht das Wesen der englischen Sprache oder mathematischen Formeln, nicht das Wesen der Grammatik, nicht die bereits fertige und geprägte Realität. Nein, sein eigenes Wesen, um aus seiner Grundlage die Wirklichkeit der Dinge zu schöpfen.
    Sie müssen darauf achten, diese Kindergärtnerinnen, dass jedes Kind die Wirklichkeit erschafft auf eine Weise, wie sie einem anderen Kind in genau derselben Art nicht möglich wäre. Gerade diese »Eigenheit«, die Einzigartigkeit des Weltbegreifens vermag es, dass jedes Kind zu seiner Welterfahrung in intuitiv-gelungener Beziehung steht. Zu sich selbst und zur Welt ausbalanciert. Wer diesen schwierigen Balanceakt aufrufen kann bei der Begleitung eines das Wissen suchenden, eines lernenden Kindes, der ist ein guter Pädagoge.
    Notieren wir am Rand, dass Kindergärtnerin sein ebenso wie Eltern sein eine schwierige, eine höchst komplexe Aufgabe ist – nicht leicht zu bewältigen. Aber vielleicht auch die schönste Aufgabe, die wir in unserem Leben überhaupt antreffen. Eine Aufgabe, die nach Maßgabe unserer Gesamtgesellschaft wenig gewürdigt wird.

    Professor Helmut Heiland, Herausgeber des Fröbel’-schen Gesamtwerkes, fasst eben dieses Lebendig-Exemplarische, das über jede Anschaulichkeit hinausgreift, so: Hinter Fröbels Gedanken »steht eine Wirklichkeitsauffassung, die für uns etwas schwierig ist nachzuvollziehen. Es ist eine Kosmologie, die den Kosmos als Schöpfung sieht, und alles Seiende hat einen göttlichen Funken.« 2
    Halten wir hier ein. »Ein göttlicher Funke«, ihn aufspringen lassen, glitzern lassen, entflammen lassen, das ist Lernen, in einem großen Sinn. Aber wie soll das denn gelingen, wenn statt der konkret sinnlichen Wahrnehmung, mit der ein Kind sich in eine Blume vertieft, eine belehrende Stimme dazwischenflüstert: »Sag mal ›flower‹!«?
    Wie soll das sinnlich-seelische Zusammenführen des Erlebens mit englischen oder gar chinesischen Zeichen und Schriftzeichen glücken, die nicht dem kleinsten Teil der kindlichen Lebensumwelt entsprechen? Und wie sollen die – für ein deutschsprachiges Kind – merkwürdig orgelnden chinesischen Mundklänge sich umformen zu sinnvollen Verbindungen, zu ihrem inneren und äußeren Sein?
    Das geht nicht. Aber warum fällt den Konzeptschreibern und Didaktikern und wer immer noch daran mitwirkt, diese Unmöglichkeit nicht auf? Ganz einfach! Sie sind – es ist fast unglaublich – so sehr auf das ganz und gar pure Lernen fixiert, dass ihnen alles in- und auswendig Eingepaukte wie »Wissen« erscheint.
    Warum? Weil diese Erwachsenen – leider die Eltern
auch – von diesen existenziellen Wahrheiten, die das Eindringen des Kindergeistes in die Welt beschreiben, so wenig wissen. Weil sie von dem Kosmos als Schöpfung, die sich in der Kreativität ihres Kindes spiegelt, keine Ahnung haben. Keine Augen und Ohren dafür, keine Sinne und keinen Verstand – es ist ein Trauerspiel.
    Dazu wieder der Lernforscher Prof. Heiland: »Aus dem kleinen winzigen Keimling entwickelt sich mal ein Baum, entsprechend entwickelt sich der Mensch und das, sagt er (Fröbel), ist etwas Sphärisches.« Noch einmal: Wir reden hier nicht von Spiritualität, zumindest nicht von ihren modischen esoterischen Torheiten. Wir reden davon, dass jedes Kind den Kosmos
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