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- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen
Autoren: Oliver Kotowski
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einzudringen; der Pseudovampir hatte nicht wirklich an diesen Ort gehört. Auch das an ihm haftende Odeur des Todes ist nur eine Oberflächlichkeit – von allen Figuren gehört Angelo zu den seelisch gesundesten. Letztlich geht zwar auch von ihm Gefahr aus, aber eben nicht für Leib und Leben, sondern für die Seele – er verführt zum Ehebruch. Das ist für diese Geschichte keine spezifische Bedrohung von jenseits des Grabes, sondern Teil des bigotten Adelsalltags.
    Bei Przybyszewski gibt es diese Wechselwirkung nicht, weil der Vampir eher esoterisch als klassisch übernatürlich, so oder so aber ein lebender Vampir ist. Löns ist schlicht und ergreifend eine Ausnahme; vielleicht, um die Lesart des irrsinnigen Protagonisten zu stützen.
    Eine kleine Nebenbemerkung: In allen Geschichten der Romantik spielen Schlösser bzw. Adelssitze eine gewisse Rolle. Mit der Romantik verschwindet dann auch das Schloss, auch wenn der Adel zum Teil noch auftritt. An die Stelle des Schlosses tritt der im weiteren Sinne bürgerliche Lebensraum: Dorf und Stadt.
      
    Schloss, Dorf, Stadt, bewohnt werden sie von den Lebenden – potenziellen Opfern. Eigentümlicherweise wird selten auf die Opfer geachtet – selbst in Susanne Pütz’ Monografie »Vampire und ihre Opfer« werden sie eher stiefmütterlich behandelt. Der soziale Hintergrund der Opfer entspricht zumeist dem Handlungsort – ist es ein Schloss, so ist das Opfer adlig, ist es ein Fischerdorf, so ist das Opfer ein Fischer. Es gibt dabei allerdings gewisse Grenzfälle. In Raupachs »Lasst die Toten ruhen« ist Walters Schloss der wichtigste Handlungsort und doch sind die Opfer nicht alle adlig, auch wenn Adlige unter den Opfern sind. In Hoffmanns »Cyprians Erzählung« ist nicht einmal eindeutig, wer eigentlich das Opfer ist – sind es die von Aurelie verzehrten Leichen oder ist es Aurelie selbst? Aurelie passt gut, denn sie ist adlig, die Leichen wiederum gar nicht, denn sie sind nicht einmal im vollen Sinne des Wortes Menschen. Hoffmanns Werk wird im Folgenden regelmäßig schwer einzuordnen sein.
    Das Erscheinungsbild der Opfer ist ebenfalls vielfältig. Vampirfilme, besonders die Dracula-Verfilmungen, lassen beim Opfer schnell an eine zarte femme fragile denken, doch die hier behandelten Geschichten bieten so ein Opfer kaum. Tatsächlich treten einige femme fragiles auf. So ist zum Beispiel Löns’ Kaufmannstochter im Leben die typische femme fragile: Sie ist eine helle, zarte Schönheit von zurückhaltender Schüchternheit; sie ist im Leben im Großen und Ganzen ein schönes, fügsames Ding, das es zu beschützen gilt. Doch in der Geschichte hat sie sich bereits in einen Vampir verwandelt und begonnen, rücksichtslose Forderungen zu stellen – sie ist zu einer todbringenden, aber seltsam schüchternen femme fatale geworden. Auch Aniela Bardoßoski, Swanhilde und Eugenie sind echte femme fragiles, doch sie sind nur indirekt Opfer des Vampirs: Aniela verliert ihren Verlobten, Swanhilde Gatten und Kinder und Eugenie wiederum ihren Verlobten, der aber ihr Leben ist – ohne ihn muss sie sterben. Die Braut aus dem nacherzählten lettischen Märchen ist zu undifferenziert, um infrage zu kommen. Franziska von Fahnenberg erfüllt zwar oberflächlich die Anforderungen, doch im Wesen ist sie viel zu energisch und fordernd. Aurelie ist nur bedingt ein Opfer, und Florentine von Eschen ist zwar ein Opfer und eine perfekte femme fragile, aber eben nur Opfer verschiedener Verschwörungen und ihres Aberglaubens – gefährlicher als der vermeintliche Vampir sind die Lebenden. Die Vampiropfer sind tatsächlich überwiegend männlich: Vier Vampire machen bezüglich des Geschlechts keinen Unterschied und ganze sechs haben ausschließlich männliche Opfer; nur in einem Fall ist die Opferrolle eher weiblich besetzt: Franziska von Fahnenberg; auch wenn von Klatka Franz als Opfer nicht verschmäht hätte, scheint er Franziska zu bevorzugen.
    Auffällig ist, dass es mehrheitlich eine enge Bindung zwischen Vampir und Opfer gibt – zumeist sind es ehemalige Geliebte, bisweilen muss der Vampir erst ein spezielles Interesse an seinen Opfer entwickeln und die Totenbraut Val Umbrosa ist durch einen Fluch an die Familie Zellenstein gebunden. Allein die Vampire Raupachs und Andrejanoffs wählen ihre Opfer zufällig aus.
      
    Damit zu den möglichen Rettern, den Vampirjägern. Nach »Dracula« war die Rolle lange Zeit beinahe unverzichtbar, doch im 19. Jahrhundert konnte noch leicht auf sie
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