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- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen
Autoren: Oliver Kotowski
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seltsamen Ereignisse dauerte noch für einige Zeit an. Der Ritter bestimmte, dass die Gruft bei den Klatka-Ruinen für immer zugemauert werden solle. Dies geschah am folgenden Tag; der Ritter behauptete, er wünsche nicht, dass die Ruhe der Toten durch ehrlose Hände gestört werde.
    Franziska erholte sich langsam. Ihre Gesundheit war so schwer erschüttert worden, dass es lange dauerte, bis sie vollständig außer Gefahr war. Der Charakter der jungen Dame wandelte sich in jener Zeit sehr. Die frühere Willensstärke ließ möglicherweise ein wenig nach, dafür aber erwarb sie eine freundliche Sanftheit, die all ihre anderen Tugenden bestens zur Geltung brachte. Franz fuhr fort, seine Cousine zu umwerben, aber, vielleicht nach einem Rat von Bertha, ging er etwas weniger eifrig zu Werke. Seine Neigungen zogen ihn nicht in die Schlacht, das Feldlager oder auf die Suche nach hohen Ehren, sein größtes Ziel war es, die Bedingungen für seine Pächter weiter zu verbessern, und auf diese Aufgabe richtete er sein ganzes Denken. Franziska konnte dem unaufdringlicheren Werben des jungen Mannes nicht widerstehen, und es dauerte nicht lange, bis sie sich seiner edlen Sorge um das Wohlergehen seiner Mitmenschen anschloss. Bald begann sie, ihn zu mögen, und irgendwann nahmen ihre Gefühle für ihn den Charakter der Liebe an. Da Woislaw darauf bestand, Bertha zum Weib zu nehmen, bevor er nach Schlesien zurückkehrte, wurde es so eingerichtet, dass die Ehe an ihrem gegenwärtigen Aufenthaltsort geschlossen werden konnte. Wie erfreulich war für den Ritter von Fahnenberg die Überraschung, als seine Tochter und Franz seinen Segen erbaten und ihren Wunsch, am selben Tag zu heiraten, kundtaten! Der Tag kam bald und sah die strahlenden Gesichter zweier glücklicher Paare.
        

Nachbemerkung
    »Der geheimnisvolle Fremde« ist eine geheimnisvolle Geschichte, denn wie erwähnt, ist der Ursprung weitgehend unbekannt: Sie stammt aus dem deutschen Sprachraum und ist 1860 oder früher entstanden. Ein paar Überlegungen zum Entstehungszeitraum und anschließend zur Herkunft des Autors will ich dennoch anstellen.
    Der Protagonist, der Antagonist und eine weitere Figur sind Ritter. Darüber hinaus sucht die Geschichte die Nähe zum Ritterroman. Daher könnte man geneigt sein, es für ein Werk der Spätromantik zu halten. Dazu passen noch weitere Elemente. Eine Vielzahl von Texten der Romantik wendet sich dem Mystischen zu, entdeckt die Gotik neu und zelebriert einen Ruinenkult. Es gibt jedoch auch Details, die gegen diese Verortung sprechen. So legt der Autor erheblichen Wert auf Spannung, die aus direkten Bedrohungen erwächst. Diese werden außerdem konkret geschildert – das Schnappen der Wölfe, von Klatkas Zerbrechen von Franz’ Schwert, das Rappeln im Sarg. Auch passen der beherrschte und beinharte Woislaw, sein Stören der Totenruhe und die konkrete Beschreibung der Leichen nur wenig zur feingeistigen Romantik. Tatsächlich verweist die Darstellung von Konkretem und Materiellem deutlich auf den Realismus. Zudem steht das ungetrübte Happy End gegen die romantische Tendenz zur Tragik.
    Ebenso fügt sich die Verwendung des Vampirmotivs nicht gut zur Romantik. Da ist zunächst der Umstand, dass von Klatka das Blut aus der Kehle saugt; alle anderen Vampire der Romantik saugen aus der Brust. Man darf dieser Differenz allerdings nicht allzu viel Bedeutung beimessen, da man sonst leicht in eine Tautologie-Falle tappt. Wichtiger ist die generelle Ausformung des Motivs. In romantischen Werken tritt das Motiv dem Leser eher schwach ausgeformt entgegen: Der Vampir ist ein Leichnam, der die Lebenden täuscht, um ihr Blut zu trinken; er ist im Mondlicht stark und muss das christliche bzw. magische Ritual fürchten. Auf diesem Grundstock basiert auch von Klatka, doch das Motiv wird bei ihm erheblich erweitert. Franziskas Heilung durch das auf die Wunde geschmierte Vampirblut verweist klar auf die Sage, wie auch die symbolische Pfählung durch die drei Nägel auf den in Teilen Rumäniens immer noch praktizierten Vampirglauben verweist. Weitere Details basieren zwar auf dem Vampirglauben, treten jedoch in Ausformungen auf, wie sie üblich für eine spätere Verwendung des Motivs sind: Es wird explizit gemacht, dass der Vampir stärker ist, die wilden Tiere fürchten ihn, er kann sich in Nebel verwandeln, je mehr Blut er saugt, desto lebendiger wird er, seine Opfer können ebenfalls zu Vampiren werden und angedeutet wird, dass er ohne Einladung
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