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Lass den Teufel tanzen

Lass den Teufel tanzen

Titel: Lass den Teufel tanzen
Autoren: Teresa De Sio
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zu entdecken, die mit dem restlichen Fest nichts zu tun haben. So wie die beiden alten Zwillingsschwestern Santo, Fatima und Candelora, genannt le Sante , die Heiligen. Sie schreiten kerzengerade mitten durch den Strom der Masken, stumm und ohne sich auf ein Gespräch einzulassen. Sie sehen weder Solimene noch seine Tochter, die ihnen auf der Straße entgegenkommen, und auch Narduccio nicht, der ihnen in gewisser Entfernung folgt. Die Zwillingsschwestern gehen in Richtung Dom. Fatima hat einen großen Teller mit ausgebackenen Karnevalskringeln in der Hand, der mit einem Tuch abgedeckt ist. In sich selbst und ihre Mäntel versunken, überqueren sie die Straße, wie betäubt, mit finsterer und ungerührter Miene, als wäre der Karneval des Lebens schon längst für sie beendet und sie selbst vom Feiern so weit entfernt wie ein Taucher vom Mond oder ein Grubenarbeiter vom Gipfel des Berges.
    Um sie herum herrscht ausgelassenes Treiben.
    Könnten wir den drei Musikanten, dem Löwen, dem Ziegenbock und dem Totenkopf, folgen, so sähen wir sie auf der Piazzetta della Signuría ankommen, wo mit dem Corso auch das Dorf selbst endet. Hier steht eine kleine Menschenmenge, die sie mit so begeistertem Gegröle empfängt, als wartete sie schon seit Stunden auf ihre Ankunft. In der Mitte
des Platzes, gleich beim Brunnen, ragt ein hoher Pfahl, mit gelben und roten Bändern geschmückt, in die Höhe. Er wird von einem Mann gehalten, dessen Bauch so dick ist, dass er die Knopfleiste seines Hemdes zu sprengen droht. Sein Gesicht ist vom Trinken stark gerötet, und er hat keinen einzigen Zahn mehr im Mund. Dabei lacht und singt er, als ginge es beim Karneval einzig und allein um ihn, und das ganze Dorf hätte ihn nur seinetwegen anberaumt. Der Mann hat träge, spöttische Augen von levantinischem Schnitt, dazu einen bemerkenswert vollen Schopf aus schlohweißen Locken, von denen einige am verschwitzten Gesicht kleben. Man sieht, dass er in seiner Jugend ein schöner Mann gewesen sein muss. Einige der Anwesenden haben sich als Polizisten, Soldaten oder Priester verkleidet, andere sind gänzlich unverkleidet und scheinen einfach nur Zuschauer zu sein. Auch der wirkliche Priester des Dorfes, Don Filino, sowie zwei echte Soldaten und ein Polizist sind da. Der Löwe, der Ziegenbock und der Totenkopf beginnen zu spielen, eine Melodie aus fallenden Terzinen , die in dem kleinen Grüppchen, welches sich gerade um etliche Zuschauer vergrößert, auf rege Zustimmung stößt. Zuletzt eingetroffen sind auch die jungen Männer in Frauenkleidern, die auf ihren hohen Absätzen länger gebraucht haben, um die Strecke über den Corso zurückzulegen, wobei man nicht außer Acht lassen darf, dass sie vollkommen betrunken sind.
    Begleitet von der Quetschkommode des Löwen, hebt der Ziegenbock zu singen an. Kaum hat die Musik eingesetzt, beginnen die vermeintlichen Frauen auf und ab zu schreiten, eine Mischung aus dem stelzenden Gang des Laufstegs und dem Wiegen von Stripperinnen, wozu das Publikum
applaudiert, sie aber auch auslacht und ihnen derbe Schmähungen im Dialekt zuruft. Alles scheint Teil eines altbekannten Spiels zu sein, dessen Sinn dem Fremden verborgen bleibt, den dort Versammelten jedoch vollkommen vertraut ist. Die Musik wird lauter. Immer heftiger schlagen der Totenkopf und der Ziegenbock auf ihre Trommeln. Die Spannung steigt. Der Löwe, der Bock und der Totenkopf sind voller Konzentration, nicht die kleinste Geste in ihrem Treiben scheint überflüssig, während sie ihre Körper gerade so viel bewegen, wie es nötig ist, um den gespannten Fellen der Trommeln und dem Balg des Akkordeons Töne zu entlocken. Nur manchmal hat es den Anschein, als müssten sie einen Kampf gegen ihre Instrumente ausfechten, doch es ist kein Ringen um Leben und Tod, weil keiner der Musikanten seinem Instrument Schaden zufügen will und umgekehrt, sondern eher ein kleines Scharmützel, das den Kontrahenten dazu dient, das Beste aus ihrem Widersacher herauszuholen.
    Mittlerweile ist es finstere Nacht geworden.
    Die Menschenmenge ist gewachsen und wogt im Takt, ein jeder schwingt mit der Musik mit und lässt mit einer Neugier die Blicke schweifen, die doch jedes Jahr und vom genau gleichen Ritual geweckt wird. Alles wird hingenommen, so wie man den Hagel und die Dürre hinnimmt, etwas, das unvermeidlich ist und niemals hinterfragt wird.
    Signora Siani hält sich mit ihren hündischen Söhnen etwas abseits, die, von dem Spektakel verängstigt und fasziniert
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