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Lange Finger - flinke Beine

Lange Finger - flinke Beine

Titel: Lange Finger - flinke Beine
Autoren: Wolfgang Ecke
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mit sauer eingelegtem Gemüse. Dazu trank er ein kleines Glas Pils und vier Tassen Kaffee.
    Als er sich gegen Mitternacht ins Bett legte, war er munter, als läge eine lange Nacht mit erholsamem Tiefschlaf hinter ihm. Vor seinen geschlossenen Augenlidern rollten noch einmal die Ereignisse des Tages vor ihm ab.
    War es wirklich die Wahrheit, daß er... er, der hier unter einem dicken, etwas schweren Federbett lag und auf Schlaf wartete, daß er derselbe war, der noch vor zwanzig Stunden zu den Insassen eines Hauses zählte, das man Vollzugsanstalt nannte? Oder war er nur das Opfer eines Wachtraumes?
    Wie kam plötzlich der Geruch seiner Matratze hierher? Hörte er nicht den Wasserhahn tropfen, der das nicht immer tat, nur von Fall zu Fall. Kunze, der mit ihm die Zelle teilte, hatte behauptet, der Wasserhahn sei wetterfühlig, er tropfe nur bei Föhn.
    Kunze... Sie hatten fast täglich zusammen Schach gespielt. Kunze nannte sich einen »Frustrationstäter«. Er hatte, ohne krankhafter Pyromane zu sein, in einer einzigen Nacht das Finanzamt, das Landratsamt und die Praxis eines Rechtsanwalts in Brand gesetzt. Was ihm Verteidigung, Staatsanwalt und Richter besonders übelnahmen, war, daß er sich uneingeschränkt zu seiner Tat bekannte und keinerlei Reue zeigte. Im Gegenteil, er ließ bei seinem Schlußwort seiner Enttäuschung freien Lauf, daß er nicht auch noch das Spritzenhaus der örtlichen Feuerwehr geschafft habe. Kunze lachte gern und viel. Er konnte so verdammt herzhaft lachen, so ansteckend. Zwei Jahre mußte er noch absitzen.
    Ihm würde man wohl keinen einzigen Tag erlassen. Schon wegen des Spritzenhauses nicht, das er sich sofort nach seiner Entlassung vornehmen wollte.
    Kunze war auch der Erfinder des Zellen-Joggings. »Ich muß mich fit halten. Nur wer gut bei Lunge und Fuß ist, hat beim Flitzen eine Chance!« sagte er und erfand besagtes Zellen-Jogging. Er betrieb es dreimal täglich. Es handelte sich dabei um eine »Renn«-Tätigkeit, die aus Vorwärts- und Rückwärtslaufen bestand. Ununterbrochen. Vier Meter nach vorn, an Zellentür klatschen, vier Meter zurück, an Wand klatschen. Vier vor, klatschen, vier zurück, klatschen... vier vor... vier zurück... vier vor...
    Die Sonne fiel mit einem hellen, gleißenden Streifen durch die Vorhänge und markierte eine Lichtstraße über Sessel und Tisch hinweg bis zum Schrank. Abertausende allerfeinster Staubpartikelchen durchtanzten diesen flimmernden Streifen. Ein gitterfreier Sonnenstrahl.
    Olaf Boransky sah auf die Uhr. Es war kurz vor sieben. Langsam, »Schritt für Schritt«, trat er das Federbett nach unten, bis es, zusammengeknautscht, am Fußende lag. So aufgedeckt, blieb er noch eine Viertelstunde liegen und versuchte die Vielzahl der von außen durch das Fenster dringenden Geräusche zu analysieren. ^
    Das Frühstück nach »Art des Hauses« hatte mit dem Einheitsfrühstück Made in Germany etwa so viel gemein wie Bütten mit Klosettpapier.
    »Ich könnte meine Tage bei Ihrem Frühstück beschließen«, hatte Boransky zu dem Kellner gesagt, der versprach, das Kompliment sofort weiterzugeben.
    Gegen neun Uhr verließ Boransky den »Schaumburger Hof« und nahm die Einladung der strahlenden Sonne zu einem Spaziergang an.
    10.18 Uhr setzte er seine unterbrochene Reise fort, ohne vorher den zur Aufbewahrung gegebenen Koffer abzuholen.
    16.18 Uhr traf er in Bremen ein.
    In der Bahnhofsbuchhandlung kaufte er sich einen Stadtplan von Bremen und eine Straßenkarte von Norddeutschland.
    16.50 Uhr betrat er, unweit des Hauptbahnhofes, das Büro eines Autoverleihs.
    »Guten Tag, Sie wünschen bitte, mein Herr?« Dem bestimmten Tonfall nach zu schließen, mußte es sich bei der jungen Frau, Boransky schätzte sie auf sein Alter, um die Chefin handeln. Auch ihre raschen, ihn abschätzenden Blicke hatten etwas Professionelles an sich, und ihr Lächeln war ein »Geschäftslächeln« ohne Wärme.
    »Ich möchte gern einen Wagen mieten!«
    »Haben Sie, was das Modell anbetrifft, bestimmte Vorstellungen?«
    Boransky grinste die Frau belustigt an. »Leider halten die Vorstellungen mit meinem Vermögen nicht Schritt. Wenn ich jedoch einen Mercedes für den Preis eines VW bekomme, nehme ich den Mercedes.«
    Die Frau nickte ernsthaft. »Mit anderen Worten, Sie möchten einen VW.«
    »So ist es. Ich bin arm, aber ehrlich!«
    »Und für wie lange möchten Sie den Wagen mieten? Ab zehn Tage räumen wir Ihnen einen besonders günstigen Rabattsatz ein.«
    »Zunächst einmal
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