Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lange Finger - flinke Beine

Lange Finger - flinke Beine

Titel: Lange Finger - flinke Beine
Autoren: Wolfgang Ecke
Vom Netzwerk:
kann gehen und fahren, wohin ich will.«
    »Stimmt!« Hennemann nickte. »Nur hätte ich es mir nie verziehen, Sie nicht gefragt zu haben.«
    »Wonach gefragt?«
    »Wohin Sie wollen.«
    »Warum haben Sie mich das nicht heute früh im Gefängnis gefragt?«
    »Der Ort schien mir für eine solche Frage am heutigen Tag nicht der geeignetste zu sein. Schließlich blieb dieselbe Frage bereits früher ohne Antwort.«
    »Und warum sollte es jetzt anders sein?«
    »Ich mache mir große Sorgen um Sie, Olaf.«
    »Das ist unnötig!«
    »Ein Gefühl sagt mir, daß Sie drauf und dran sind, eine große Dummheit zu begehen.«
    »Was für den einen eine Dummheit ist, ist für den anderen eine Notwendigkeit.«
    »Gibt es für mich keine Möglichkeit, Ihnen auszureden, was Sie Vorhaben?« K
    » Was glauben Sie denn, was ich vorhabe?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Der Kaffee kam. Sie warteten, bis die Bedienung wieder außer Hörweite war.
    »Wollen Sie es mir nicht sagen, Herr Boransky?« drängte der Pfarrer mit beschwörender Eindringlichkeit. »Vielleicht kann ich Ihnen helfen?«
    »Konnten Sie Kaiser helfen?«
    Pfarrer Hennemann beschlich wieder einmal jenes entsetzliche Gefühl der Macht- und Hilflosigkeit. Wo ihm plötzlich die Worte fehlten. Worte, die helfen und überzeugen sollten. Er ertappte sich dabei, wie er sinnlos in seiner Kaffeetasse rührte. War er schon zu alt geworden für seinen Beruf, der ihm, solange er zurückdenken konnte, Berufung war?
    »Ich will mir einen Traum erfüllen. Mir und Kaiser!« sagte Boransky. Wie er es sagte, ließ keinen Zweifel darüber, daß es ein Ausspruch war, dem keine Erläuterung folgen würde.
    So saßen sie sich gegenüber und schwiegen. Ab und zu warf Boransky einen Blick auf seine Armbanduhr, dessen Band von einer Büroklammer kunstvoll zusammengehalten wurde.
    »Wann fährt Ihr Zug?« fragte Pfarrer Hennemann. »Bald!« erwiderte Boransky.
    Hennemann nickte, streckte seine Hand über den Tisch. »Ich wünsche Ihnen gute Reise, Olaf. In jeder Hinsicht.« Olaf Boransky ergriff Hennemanns Rechte und erwiderte den Druck. »Vielen Dank, daß Sie noch gekommen sind, Herr Pfarrer. Vielen Dank für alles, was Sie für mich getan haben. Für Ihre Sorge und für Ihren Wunsch, mir zu helfen.«
    Boransky erhob sich. »Und auch noch danke schön für den Kaffee...«

3. Kapitel

    Es war später Nachmittag, als der D-Zug auf einer Station hielt. Zwei Drittel der Strecke zum Zielbahnhof Bremen lagen hinter ihm.
    Olaf Boransky stieg aus. Er deponierte seinen Koffer in der Gepäckaufbewahrung und bummelte Richtung Innenstadt. In einem Warenhaus kaufte er sich einen hellbraunen Anzug, dazu ein passendes Hemd, einen Seidenschal und ein Paar Schuhe. Zu allem nahm er sich Zeit. Im Erdgeschoß erwarb er Unterwäsche, zwei Handtücher, Seife, Zahnbürste, Zahnpasta und einen geräumigen Aktenkoffer. Den Einkäufen folgte in der Toilette der zweite Akt des »Unternehmens Kaufhaus«: Er kleidete sich komplett um und »vergaß« anschließend den Einkaufsbeutel mit seinen getragenen Sachen.
    Für Augenblicke fühlte er sich so, wie er glaubte, daß sich eine Schlange nach der Häutung fühlt.
    Eine Hostess, die eben dabei war, einem blauen Ford mit Hamburger Kennzeichen einen Strafzettel unter den Scheibenwischer zu schieben, fragte er nach einem guten und dennoch preiswerten Hotel.
    Die junge Dame in Graublau musterte ihn einen Moment lang mißtrauisch und fragte dann: »Gehört dieser Wagen etwa Ihnen?«
    Boransky lächelte: »In diesem Fall würde ich im Auto übernachten.«
    Sie gab sein Lächeln zurück.
    »Versuchen Sie es mal im >Schaumburger Hof<. Man sagt ihm die gewünschten Eigenschaften nach!«
    Er bedankte sich und schlenderte in die genannte Richtung. An einem am Wege liegenden Kiosk kaufte er sich einen Stapel Zeitungen, dessen Gewicht seinem Aktenkoffer eine legitime Schwere gab.
    Der »Schaumburger Hof« entpuppte sich als kleines Hotel, das von einem Kranz imposanter Kastanienbäume eingerahmt war und das schon äußerlich Behaglichkeit versprach.
    Olaf Boransky nahm ein Zimmer mit Bad.
    Um 18.20 Uhr stieg er in das heiße, dampfende Wasser. Bis 21.50 Uhr blieb er in der Wanne sitzen. In dieser Zeitspanne las er sechs Zeitungen und ließ siebenmal heißes Wasser nachlaufen und genoß jede einzelne Minute dieser dreieinhalb Stunden.
    Er zog sich an und ging hinunter ins Restaurant.
    Bis 23 Uhr gab es warme Küche.
    Er aß Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat und Kroketten und dazu eine Schale
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher