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Lange Finger - flinke Beine

Lange Finger - flinke Beine

Titel: Lange Finger - flinke Beine
Autoren: Wolfgang Ecke
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nach Äpfeln. Es gibt nur zwei Obstsorten, für die ich mich begeistern kann: Birnen und Erdbeeren.«
    Sie sah ihn an, ein wenig mißtrauisch.
    »Ehrlich?«
    »Ehrlich!« nickte er.
    Sie verzehrte den Apfel und drehte anschließend nachdenklich den Stiel zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her.
    »Erzählen Sie mir was, ich höre gern zu!« sagte Olaf Boransky.
    Sie musterte ihn forschend von der Seite.
    »Warum habe Sie mich eigentlich so enttäuscht angesehen, als ich einstieg?«
    »Ich habe Sie nicht enttäuscht, sondern höchstens überrascht angesehen«, gab Boransky zurück.
    »Und warum überrascht?«
    »Weil ich Sie zuerst für fünfzehn gehalten habe!«
    »Und jetzt?«
    »Jetzt für achtzehn!«
    Sie lachte laut. »Und bei mir war’s umgedreht. Ich habe Sie für älter gehalten. Ich bin einundzwanzig, die Zöpfe sind meine Reisemasche. Sie glauben nicht, wie kleine Zöpfe wirken. Ich bin mal mit normal langem Haar von Hamburg nach Wien gefahren, ich meine natürlich getrampt. Über drei Tage habe ich da gebraucht. Den Rückweg schaffte ich mit Zöpfen in der halben Zeit.«
    »Und keine Annäherungsversuche?«
    »Nicht mehr als sonst. Aber ich kann mich meiner Haut schon wehren.«
    »Wie schön für Sie«, sagte Boransky, und seine Stimme hatte einen bitteren Unterton. »Mancher kann es nicht, und wenn er es endlich gelernt hat, ist es zu spät. Ich bin seit gut fünf Jahren zweiundzwanzig.«
    Boransky spürte den verständnislosen Blick seiner Nebensitzerin. Sie schien nach der Lösung des Rätsels zu suchen.
    Schließlich sagte sie: »Sie haben also fünf Jahre nutzlos vertan. Ist das richtig?«
    »Ja, das ist richtig.«
    »Dann sind Sie siebenundzwanzig.«
    »Wieder richtig.«
    »Und Sie sind blaß, also waren Sie krank!«
    »Sie haben einen guten Blick. Ich war in der Tat längere Zeit krank. Doch frei nach Busch: Jetzt fährt er wieder, Gott sei Dank!«
    Boransky wich nach links aus, passierte eine Gruppe ihnen zuwinkender Frauen. Das Mädchen neben ihm winkte zurück. »Sie haben uns sicher verwechselt!« sagte sie.
    »Ach was, die haben uns für ein Pärchen auf der Hochzeitsreise gehalten!« widersprach Boransky mit einem schnellen Lächeln zur Seite.
    »Sechs Jahre Altersunterschied wären genau richtig!« nickte sie, um jedoch gleich aufgesetzt zu seufzen: »Ich heirate erst mit dreißig. Jetzt fahre ich erst einmal ein paar Jahre zur See, wie Finden Sie das?«
    »Ich finde es schade!« erwiderte Boransky.
    »Wieso schade?«
    »Schade für die Zurückbleibenden. Die an Land werden nun um eine echte Attraktion ärmer.«
    Sie boxte ihn in die Seite. »Sie haben eine schicke Art, Komplimente zu verteilen. Ich hoffe, daß es eines sein sollte.«
    »Sollte es. Als was fahren Sie denn, als Matrose oder als Schiffsjunge?«
    »Als Krankenschwester. Auf einem Kreuzfahrerschiff. Nächsten Monat geht’s los.«
    »Und wohin?«
    »Dänemark, Schweden, Norwegen und dann hinüber nach England. Ich hoffe auf wenig Kranke, damit mir recht viel Zeit für die Landgänge bleibt.«
    »Wo sind Sie denn zu Hause?«
    »In Bad Homburg im Taunus. Kennen Sie das?«
    »Und ob. Dort lag ich drei Wochen im Krankenhaus. Zehn Jahre ist das her. Das Motorrad, auf dem ich saß, war schneller um die Ecke als ich.«
    Das Mädchen beugte sich plötzlich vor, legte den Kopf auf den Rucksack und drehte ihm das Gesicht zu. Aus ihren Augen sprach blitzender Schalk, als sie fragte:
    »Spielen Sie Golf?«
    »Ich habe es noch nie probiert. Warum fragen Sie mich das?«
    »Es ist albern, aber ich werde es Ihnen verraten: Vor zwei Jahren war ich mit meinen Eltern in Spanien. Auf einem Campingplatz. Eines Abends tauchte eine alte Zigeunerin auf, zusammen mit einem jungen Mann, der angeblich ihr Enkel war. Jedenfalls fungierte er als ihr Dolmetscher. Sie ging von Wohnwagen zu Wohnwagen und bot ihre Künste als Handleserin an. Mein Vater stiftete mir eine Weissagung, und die Zigeunerin prophezeite, daß ich mich von einem Golfspieler, den ich vorher noch nie gesehen hätte, vom Fleck weg würde heiraten lassen. Blöd, was?«
    »Man sagt den Zigeunerinnen eine ziemlich rege Fantasie nach, das ist das eine. Das andere ist, daß es mich schmerzt, kein Golfspieler zu sein. In diesem Fall würde ich natürlich unverzüglich zur Tat schreiten.« Sie kicherte fröhlich und begann, eine ausführliche Schilderung jenes denkwürdigen Spanienaufenthaltes zu geben. Die Zeit verging im sprichwörtlichen Fluge.
    Boransky las den Ortsnamen: Er hatte sein
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