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Land Spielen

Land Spielen

Titel: Land Spielen
Autoren: Daniel Mezger
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hätten wir bald kein Haus mehr. Nur kurz wäre die Wärme, im hellen Schein unseres niederbrennenden Eigenheims könnten wir uns traurig anschauen und uns in Feuerwehrwolldecken einwickeln lassen. Später stünde da vielleicht noch der solide gemauerte Kamin, aber keine der Holzwände mehr, auch kein Holzdach, und also bauen wir auch keine Kaminfeuerstelle, sondern blättern ganz nach hinten, wo es für uns interessant wird.
    Ein Ofen, wie wir ihn brauchen, ist nicht leicht zu bauen. Das Buch über den Ofenbau entpuppt sich als Buch, das hauptsächlich davon abrät. Von Mehrkosten durch staatliche Ofenabnahmen, von veralteten DIN-Normen und hauptsächlich von explodierenden Kachelöfen ist die Rede. Wir beschließen, das erste Feuer mit diesem Buch zu machen, verfeuern es probehalber im veralteten Ofen. Wir gehen in Deckung, er explodiert nicht, der Rauch findet seinen Weg durch den Kamin. Das Buch gibt kaum Wärme ab, aber noch ist Herbst, noch geht es auch ohne Ofenhitze. Und diesen einen Winter muss es auch mit dem alten Ofen gehen und im Frühjahr müssen wir dann schauen und überlegen und Geld zählen, vielleicht Nachtschichten annehmen im Altersheim oder dem Lokalblatt Zeitungsartikel anbieten von Kleinviehzüchtergeneralversammlungen. Es wird schon gehen, sagen wir. Wir freuen uns, dass wir fürs Erste Geld sparen können, freuen uns auf den Winter. Und darauf, dass wir lernen werden, Feuer zu machen und dabei vorsichtig zu sein. Dass wir nie zu viel Holz verbrennen und immer genügend Luft zuführen werden. Explosionen können uns nicht schrecken, wir glauben nicht alles, was Ofenbauer erzählen. Denn auch Ofenbauer müssen leben, leben nun einmal vom Ofenbauen, und raten einem also nur allzu gerne dazu.
    *
    Daheim fühlen wir uns zu Hause. Wir tragen Gummistiefel wie alle im Dorf, tragen blau-weiße Hemden, haben uns grüne Fleecejacken gekauft, die schmutzig werden dürfen beim Holzspalten oder Tierefüttern. Die Jacken sind nicht schön, aber heißen so, heißen hier hinten Faserpelz. Im Dorf werden wir dennoch nicht mit Einheimischen verwechselt. Man schaut uns fremd an, auch wenn wir nicht die Einzigen sind, die nicht schon immer hier waren, nicht die Einzigen, die sich eingenistet haben an diesem Ort, wo andere früher waren und deswegen sagen, dass sie hierhergehören.
    Da ist zum Beispiel der Dorflehrer, der die Zungenschläge der Hiesigen ebenfalls ungenügend beherrscht, seine Melodieführung ist zu begrenzt, seine Vokale sind zu breit. Seine Frau hat ihm noch nicht alle Wörter ausgeredet, die man hier nicht sagt. Aber auch Christine, die Lehrersfrau, gehört auf die Fremdenliste, ist mindestens acht Dörfer entfernt aufgewachsen und ist also auch keine Einheimische. Da ist man streng.
    Und dann ist da noch die Ehefrau des Försters, die kann nicht von hier sein, sie ist zu klein, zu schmal, passt in zu schöne Kleider und zu schlecht in Gummistiefel. Wie ein Mädchen sieht sie aus, wenn sie durch den Matsch stapft, die Ärmel der grünen Fleecejacke sind zu lang, vielleicht lässt sie die Arme deswegen nie ganz hängen, sondern hält sie in der Luft, die Ellbogen nicht am Körper wie die großen, breitschultrigen Ehefrauen dieser Gegend. Diese haben ihre praktischen kurzen Haare zur Dauerwelle geformt, und bei ihnen passt der Faserpelz wie angewachsen, sie tragen diese Jacken also wie ihr echtes Fell und nicht, als trügen sie lieber echten Pelz. Die Haut der Förstersfrau schimmert grünlich, wir sehen sie und denken an Südsee.
    Und gewisse von uns sagen: »Wahrscheinlich Philippinerin«. Und andere von uns fragen: »Was heißt das?«
    Die Förstersfrau heißt Joy, das heißt Freude, erklären wir uns. Wir freuen uns an ihrem Anblick, fragen uns, wovon sie träumt in der Nacht, wundern uns, was sie den ganzen Tag macht. Tiere hat die Förstersfrau keine zu füttern, Freundinnen scheint sie auch keine zu haben, sie hat offensichtlich den ganzen Tag Zeit, sich aufs Heimkommen ihres Gatten vorzubereiten oder sich im Gummistiefelgang zu üben. Oder im Heimischsein. Das Letzte scheint am besten zu gelingen. Obwohl sie wie verpflanzt aussieht an diesem Ort, trägt keiner die Heimatliebe so bedeutsam vor sich her wie sie. Und wahrscheinlich ist sie wegen der Flagge im Garten so beliebt, oder wahrscheinlich auch wegen ihres fröhlich lispelnden »Grüßgott«, oder noch wahrscheinlicher, weil sie die schönste Frau im Ort ist. Der Förster hat sie verdient, er ist selbst herrlich anzusehen, wenn er
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