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Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)

Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)

Titel: Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)
Autoren: Ilona Andrews
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auf Zehenspitzen schnell ums Haus. Auf der Rückseite schlüpfte sie zwischen das Steingerüst und die Holzwand und tastete nach dem verborgenen Riegel. Er gab unter dem Druck ihrer Finger nach. Behutsam öffnete sie die Geheimtür, stieg in den begehbaren Kleiderschrank und betrat schließlich ihr Schlafzimmer. Das Haus hatte nur drei Räume: ein langes, rechteckiges Schlafzimmer, ein ebenso langes Badezimmer und einen großen, offenen Raum, der größtenteils als Wohnzimmer und – da Herd, Kühlschrank und Arbeitsplatte die Nordwand einnahmen – auch als Küche diente.
    Audrey spähte durch die Tür. Am Küchenherd stand ein Mann älteren Semesters mit lockigem, rotbraunem Haar, kehrte ihr den leicht gekrümmten Rücken zu und rührte in einer Glasschüssel Teig.
    Diese Haltung würde sie überall erkennen.
    Audrey hob die Armbrust und betrat das Wohnzimmer.
    Der Mann griff nach einer Tüte Mehl auf der Arbeitsplatte. Audrey drückte ab. Die Sehne surrte, der Bolzen schlug Millimeter neben den Fingern des Mannes in die Mehltüte ein.
    Die Gestalt drehte sich mit blitzenden blauen Augen zu ihr um und grinste. Sie kannte dieses Gaunergrinsen.
    »Tag, Kleines.«
    Audrey richtete die Armbrust auf den Boden. »Tag, Dad.«
    »Guter Schuss.« Seamus Callahan beugte sich vor und betrachtete den aus der Mehltüte ragenden Bolzen. »Würde sagen, du hast sie erledigt. Mitten ins Schwarze.«
    Audrey stellte die Armbrust ab und verschränkte die Arme. In ihrem Innern schrie eine leise, verdrießliche Stimme Raus hier, raus hier, raus hier … Er war in ihrem Haus, und sie musste die Finger fest um ihre Arme schließen, um ihn nicht gewaltsam vor die Tür zu setzen.
    Doch sie war seine Tochter, und dreiundzwanzig Jahre als Schwindlerin gaben ihr eine ruhige, gelassene Stimme. »Wie hast du mich gefunden?«
    »Ich habe so meine Methoden.« Seamus machte die Tüte auf und schüttete etwas Mehl in den Teig. »Ich backe meine patentierten Silberdollarpfannkuchen. Daran kannst du dich doch bestimmt noch erinnern, oder?«
    »Klar, erinnere ich mich, Dad.« Er stand in ihrer Küche, fasste ihre Sachen an. Gleich nach seinem Abgang war eine Grundreinigung fällig.
    Ling huschte zur Hintertür rein, wuselte um ihre Füße und zeigte Seamus die Zähne.
    »Dein kleines Biest kann mich nicht besonders gut leiden«, meinte er, während er den Teig in eine zischende Pfanne gab.
    »Sie hat gute Instinkte.«
    Seamus sah zu ihr auf. Seine Augen wirkten unter den buschigen roten Brauen wie Flachsblüten. »Das ist nicht nötig.«
    Scheiß drauf. »Was willst du?«
    Seamus breitete die Arme aus, in der Rechten hielt er einen Pfannkuchenwender. »Meine Tochter verschwindet vier Jahre lang von der Bildfläche, sagt mir nicht, wo sie hinwill, ruft mich nicht an, schreibt mir nicht. Habe ich da etwa kein Recht, mir Sorgen zu machen? Du hast uns nur einen Zettel hingelegt.«
    Ja, sicher . »Da stand drauf: Sucht nicht nach mir. Hätte euch zu denken geben sollen.«
    »Deine Mom vergeht vor Kummer, Kleines. Wir machen uns solche Sorgen.«
    Raus hier, raus hier, raus hier . »Was willst du?«
    Seamus seufzte. »Können wir nicht wie eine normale Familie miteinander essen?«
    »Was willst du, Dad?«
    »Ich habe einen Job in Westägypten.«
    Im Weird. Die Welten des Weird und des Broken waren geografisch ähnlich sortiert, historisch hatten sie jedoch ganz andere Wege eingeschlagen. In der Welt ohne Magie war die riesige, aus dem Südosten des Kontinents herausragende Halbinsel als Florida bekannt; im Weird hieß sie Westägypten – der Alligator, der die Kobra und den Falken der dreifachen ägyptischen Krone ergänzte.
    »Dauert nicht mal ’ne Woche. Bei guter, solider Bezahlung.«
    »Kein Interesse.«
    Er seufzte wieder. »Ich wollte das eigentlich nicht erwähnen. Es geht um deinen Bruder.«
    Natürlich. Wie könnte es jemals um jemand anderen gehen ?
    Seamus beugte sich vor. »Es gibt da eine Einrichtung in Kalifornien …«
    Sie hob die Hände. »Ich will das nicht hören.«
    »Es ist schön da. Wie Ferien.« Er griff in seine Jacke. »Sieh dir die Bilder an. Die Ärzte sind alle erste Sahne. Wir müssen nur noch dieses eine Ding drehen, dann können wir ihn da einliefern lassen. Ich würd’s ja selbst machen, aber man braucht drei Leute dafür.«
    »Nein.«
    Seamus stellte den Herd ab und schob die Pfanne auf den kalten Brenner. »Er ist dein Bruder. Er liebt dich, Audrey. Wir haben dich seit drei Jahren um nichts gebeten.«
    »Er ist süchtig,
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