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Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)

Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)

Titel: Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)
Autoren: Ilona Andrews
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Dad. Süchtig . Wie oft hat er jetzt schon einen Entzug gemacht? Achtzehn Mal, als ich weg bin. Wie viele sind’s jetzt?«
    »Audrey …«
    Zu spät. Wenn sie einmal angefangen hatte, konnte sie nicht wieder aufhören. »Es gab Therapien, es gab Maßnahmen, es gab Ärzte, Betreuer und Entzugskliniken – nichts davon hat das Geringste gebracht. Und weißt du, wieso? Weil Alex gerne süchtig ist. Er will gar nicht, dass es ihm besser geht. Er ist ein dreckiger, heruntergekommener Junkie. Und du machst es ihm jedes Mal leichter.«
    »Audrey!«
    »Wie hieß noch die Lebensregel, die du mir beigebracht hast, Dad? An die wir uns unter allen Umständen halten sollten? Man bestiehlt nicht die eigene Familie. Alex hat Moms Ehering gestohlen und versetzt. Er hat dich ebenso bestohlen wie mich, und er hat mir meine Kindheit versaut. Alles landete ohne Umwege in seiner Nase oder seinem Mund. Der Mann hat noch keine Droge verschmäht.
    Er will nicht, dass es ihm besser geht. Wozu auch? Mommy und Daddy stehen immer parat, um neue Pillen für ihn zu besorgen und ihn von der Straße aufzusammeln. Er kriegt seine Rauschmittel und sämtliche Aufmerksamkeit obendrein. Scheiße, warum sollte er da aufhören?«
    »Er ist mein Kind«, sagte Seamus.
    »Und was bin ich, Dad? Gehackte Leber?«
    »Sieh dich um!« Seamus hob die Arme. »Sieh doch, sieh hin … du hast ein schönes Haus, dein Kühlschrank ist voll. Du brauchst keine Hilfe.«
    Sie starrte ihn an.
    »Alex ist krank. Es ist eine Krankheit. Er kann sich nicht selbst helfen.«
    »Bockmist! Er will sich nicht selbst helfen.«
    »Er wird sterben.«
    »Schön.«
    Seamus schlug auf die Arbeitsplatte. »Das nimmst du zurück, Audrey.«
    Sie holte tief Luft. »Nein.«
    »Gut.« Er lehnte sich zurück. »Gut. Lebe du glücklich in deinem schönen Haus. Kuschle mit deinem Schoßtier. Kauf dir schöne Sachen. Mach das alles, während dein Bruder draufgeht.«
    Sie lachte. »Schuldgefühle, Dad? Warte, ich erzähl dir was über Schuldgefühle.«
    Sie stapfte zu einem Bücherregal, zog ein Fotoalbum heraus und knallte es aufgeschlagen vor ihm auf die Arbeitsplatte. Auf dem Bild blickte ihr aus einem entstellten Gesicht ihr sechzehn Jahre altes Selbst entgegen. Ihr linkes Auge zu einem dicken schwarzen Klumpen angeschwollen, geronnenes Blut aus einem halben Dutzend Wunden besudelte ihre Wangen. Ihre Nase ein unförmiger Knubbel. »Was siehst du? Erinnerst du dich daran?«
    Seamus verzog das Gesicht.
    »Was, dazu fällt dir nichts ein? Ich helfe dir auf die Sprünge. Das war, nachdem mein lieber Bruder mich für ein bisschen Methadon an seinen Dealer verschachert hatte. Ich musste ihm mein ganzes Geld und Großmutters Goldkette geben, außerdem musste ich in die Drogenküche eines rivalisierenden Dealers einbrechen und sein Lager ausräumen, sonst hätte der Kerl mich vergewaltigt. Ich musste in das Quartier einer Gang einbrechen, Dad. Wenn ich erwischt worden wäre, hätten die mich, ohne mit der Wimper zu zucken, kaltgemacht – wenn ich Glück gehabt hätte. Und Cory, der Dealer? Der hat mich anschließend als Boxsack benutzt. Er hat mich umgehauen und mir ins Gesicht und in den Bauch getreten, bis er nicht mehr konnte. Ich musste ihn anflehen – anflehen –, mich gehen zu lassen. Schau dir mein Gesicht an. Das war zwei Tage vor meinem siebzehnten Geburtstag. Und was hast du gemacht, Dad?«
    Sie ließ ihn schwitzen. Seamus sah aus dem Fenster.
    »Nichts hast du getan. Weil ich nämlich nicht zähle.«
    »Sag das nicht, Audrey. Natürlich zählst du. Und ich habe deshalb mit Alex geredet.«
    Sie lächelte bitter. »Ja, das habe ich gehört. Du hast ihm gesagt, dass die ganze Familie darunter leiden würde, wenn mir etwas passiert, weil dann keiner mehr da wäre, der gut stehlen kann.«
    »Ich habe so mit ihm gesprochen, wie er’s versteht. Keine Drogen mehr, wenn dir was passiert.«
    »Weil ihn sonst nichts interessiert.« Audrey seufzte. »Ich bin vor vier Jahren weg. Ohne meine Spuren zu verwischen – ich bin einfach quer durch den ganzen Kontinent auf die andere Seite gerannt. Wenn möglich wäre ich sogar bis zum Mond gelaufen, aber auch dann hätte ich eine eindeutige Spur für dich hinterlassen, weil ich immer gehofft habe, dass meine Eltern eines Tages aufwachen und bemerken würden, dass sie eine Tochter haben. Du hast so lange gebraucht, mich zu finden, weil du erst zu suchen angefangen hast, als du mich brauchtest. Ich habe jahrelang als Diebin und Betrügerin gelebt, damit du
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