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Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)

Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)

Titel: Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)
Autoren: Ilona Andrews
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umgestürzt. Nun würde sie wohl zu Gnoms Haus laufen müssen. Der Regenguss hatte den Weg in Matsch verwandelt. Sie trug brandneue Schuhe. Was soll’s? Schuhe konnte man putzen.
    Audrey parkte, zog, so fest es ging, die Handbremse an, griff nach den Plastiktüten auf dem Beifahrersitz und stieg aus. Unter ihren Schuhsohlen quatschte Schlamm. Sie kletterte über den Baumstamm und trottete über den schmalen Weg bis zum Berggipfel hinauf. Als sie die Lichtung erreichte, begann es zu dunkeln. Gnoms Haus, ein großes, zweistöckiges Gewirr unübersichtlicher, in verrückten Winkeln angeordneter Zimmer, verschwand schon beinahe in der Dämmerung.
    »Gnom!«
    Keine Antwort.
    »Gnooom!«
    Nichts.
    Er war im Haus. Er musste dort sein – sein alter, ramponierter Chevy stand auf der linken Seite des Hauses, und Gnom verließ den Berggipfel nur selten. Audrey ging zur Tür und drehte den Türknauf. Abgeschlossen. Sie legte die Hand aufs Schloss und drückte. Die Magie glitt in durchsichtigen, ineinander verschlungenen grünen Ranken aus ihren Fingern ins Schlüsselloch. Der alte zänkische Schwachkopf würde sie dafür wahrscheinlich umbringen. Das Schloss gab nach. Eher aus Gewohnheit als aus Notwendigkeit öffnete Audrey die Tür so behutsam, dass sie nicht knarrte.
    Blitze schleudern war der reinste Ausdruck von Magie. Die meisten, die als Magier geboren waren, hatten ein paar weitere Asse im Ärmel. Einige im Edge wirkten Flüche, andere sagten die Zukunft voraus. Sie öffnete Türen.
    Audrey ging durch den schmalen Flur in das Wohnzimmer, wo hohe, mit Gnoms Schnickschnack und Handelsware vollgestellte Regale den Raum teilten. In seiner Eigenschaft als Hehler unterhielt er ein Sortiment, vor dem Costco vor Neid erblasst wäre. Außerdem fungierte er im Notfall als Gemischtwarenladen. Edger, die ein Deo oder Seife brauchten und keine Lust hatten, dafür den weiten Weg über die Grenze zurückzulegen, kamen zu Gnom’s. Und zahlten am Ende zehn Dollar für eine Tube Zahnpasta.
    Aus den Eingeweiden des Hauses ließ sich schleimiger, rasselnder Husten vernehmen. Wie ein Schatten schlüpfte Audrey zwischen den Regalen hindurch und stand schließlich auf der Freifläche im Zentrum des Raums. Gnom, ein Bär von einem Mann, saß zusammengesunken in seinem ausgebesserten Polstersessel. Auf einem Schreibtisch vor ihm lag aufgeschlagen ein Buch, am Sessel lehnte eine Schrotflinte. Mit roter Haut, verfilzten Haaren und fiebrigen Augen saß er in eine Wolldecke gehüllt. Er sah furchtbar aus.
    »Da sind Sie ja.«
    Er starrte sie aus tränenden, blutunterlaufenen Augen an. »Was zum Teufel wollen –« Ein erneuter Hustenanfall schüttelte seine Riesengestalt.
    »Das hört sich beschissen an.«
    »Was wollen Sie …« Gnom nieste.
    »Ich habe Ihnen was mitgebracht«. Sie nahm ein Medikament, das die Atemwege abschwellen ließ, aus ihrer Tasche und legte die Packung auf den Tisch. »Sehen Sie, ich habe auch Hühnersuppe in Dosen, Theraflu, Hustentropfen. Und hier haben wir eine Packung feuchter Papiertaschentücher, damit sie sich nicht die Haut von ihrem Riesenzinken scheuern.«
    Stumm glotzte er sie an. Was für ein Anblick. Wenn sie eine Kamera gehabt hätte, hätte sie den Moment im Bild festgehalten.
    »Und das hier, das ist vom Feinsten.« Sie klopfte auf den Plastikbehälter Magic Vaporizer. Ein altmodischer Zerstäuber. »Ich musste mir die Hacken danach ablaufen – das Zeug wird heute nicht mehr so viel hergestellt, deshalb konnte ich nur ein Generikum bekommen. Sehen Sie, Sie kochen Wasser, geben diese Tropfen rein und inhalieren – so wird Ihre Nase frei bis obenhin. Ich mach’s Ihnen erst mal vor, danach können Sie mich ruhig anschreien.«
    Fünf Minuten später gab sie ihm den dampfenden Zerstäuber und ließ ihn einatmen. Eins, zwei, drei …
    Gnom nahm den ersten tiefen Atemzug. »Großer Gott!«
    »Sag ich doch.« Audrey stellte eine Schüssel heißer Hühnersuppe auf seinen Schreibtisch. »Wirkt Wunder.«
    »Woher wussten Sie, dass ich krank bin?«
    »Patricia kam gestern den Berg runter, wir sind uns auf der Hauptstraße begegnet. Sie hat erzählt, Sie seien erkältet, und beiläufig erwähnt, dass Sie ihr für die Laternen zwanzig Schleifen zu wenig abgeknöpft hätten.«
    »Was?«
    Audrey lächelte. »Da wusste ich, dass es Ihnen dreckig geht. Außerdem hatte ich es satt, Sie die ganze Nacht röcheln und husten zu hören. Man vermutet das nämlich den ganzen Berg runter, wissen Sie, und Ling konnte wegen Ihnen
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