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Lallbacken

Lallbacken

Titel: Lallbacken
Autoren: Henning Venske
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handelt es sich nur zu oft um ganz normale Karrieristen, die endlich auch mal Geld verdienen und ein repräsentatives Amt bekleiden wollen.
    Wer allerdings von Käuflichkeit der Politikerinnen und Politiker munkelt, weil man um den Einfluss und die Entscheidungsgewalt von Lobbyisten weiß, wer meint, man könne die Lobbyisten auch direkt wählen, wer Politikerinnen und Politiker der Korruption verdächtigt, wenn diese hin und wieder kleine Geschenke akzeptieren, ein Grundstück, eine Ferienreise, die Ausrichtung einer Hochzeit, und wenn sie nach ihrer Abgeordnetentätigkeit in ein Unternehmen wechseln, dem sie während ihrer staatstragenden Tätigkeit wirtschaftliche Erleichterungen verschafft haben, wer das für Korruption hält, hat das System nicht begriffen: Politikerinnen und Politiker müssen nicht gekauft werden, selbst wenn sie käuflich wären. Sie sind Überzeugungstäter. Wäre es anders, hätten sich Frau Merkel und ihre Vorgänger schon vor Jahren von der Anti-Atom-Bewegung schmieren lassen, und es hätte nie ein Atomkraftwerk gegeben.
    Inmitten politischer Interessenkonflikte und finanzieller Verteilungskämpfe soll das Vaterland nach »Einigkeit und Recht und Freiheit« streben. Ob das Volk bei Bedarf Einigkeit erreichen könnte, darin ist man sich nicht ganz einig. Zum Beispiel, was Recht und Freiheit angeht. Das Recht besteht aus Gesetzen, Gesetze bedeuten Zwang, die Beseitigung jeglichen Zwangs bedeutet Anarchie. Die praktizierte Anarchie gewährt dann die Freiheit, Leute zu wählen, die neue Gesetze, also erneuten Zwang, ausarbeiten. Das Freiheitsgerede ist ziemlich müßig.
    Zu diskutieren ist in jedem Fall die Abschaffung der Parteien.
    Die Leute wählen dann nicht mehr ausgelutschte und sowieso nichtssagende Parteiprogramme, sondern sie entscheiden sich sachgebietsbezogen. Die technischen Voraussetzungen sind durch die modernen Kommunikationssysteme längst gegeben.
    An dieser Stelle kommt unweigerlich das Totschlagargument mit der Todesstrafe. Es ist müßig, darüber zu diskutieren: Mit der Todesstrafe kann man kein Leben retten.
    Aber über die Demokratie sollte man schon noch mal verhandeln. Aus dem alten Athen sind keine Texte klassischer griechischer Autoren zum Lobe der Demokratie überliefert. Bei Platon und Aristoteles ist die Demokratie eher Zielscheibe von Hohn und Spott. Und bei den Sprachgelehrten herrscht sogar Uneinigkeit darüber: Bedeutet Demokratie nun »Herrschaft des Volkes« oder nicht doch »Herrschaft über das Volk«?
    Das Wort Demokratie taucht weder in der Verfassung der Vereinigten Staaten noch in der Verfassung der ersten französischen Republik auf. Und Immanuel Kant schrieb in seiner Schrift Zum ewigen Frieden : Demokratie ist der Weg zum Despotismus.
    Perikles selbst deutete an, Freiheit und Demokratie seien Gegensätze. Das leuchtet ein – je größer die Freiheit des Kapitals, desto eingeschränkter die demokratischen Rechte der Lohnabhängigen. Je größer die Freiheit der Polizei, des Verfassungsschutzes und der Geheimpolizei, desto eingeschränkter die demokratischen Rechte der Bürgerinnen und Bürger.
    Kein einziger deutscher Innenminister hat jemals die Freiheit ausgeweitet. Diese demokratischen Herren haben die Freiheit immer nur weiter eingeschränkt. Dabei interessiert sie nur eine Frage: Auf welche demokratischen Rechte sind die Menschen bereit zu verzichten, wenn sie dafür so viel wie möglich von ihrem Eigentum behalten dürfen?
    Politiker und Politikerinnen verkaufen ihr Hampeln und Strampeln seit Jahrzehnten als » Pragmatismus«. Die Kanzlerin sei pragmatischanalytisch veranlagt, schreibt das Flensburger Tagblatt . Dass sie pragmatisch nach einer Lösung sucht, behauptet der Spiegel . Die große Koalition zwingt zum Pragmatismus, tönt es in der ARD. Die TAZ hält Merkel für eine pragmatische Europapolitikerin, und die Frankfurter Allgemeine bemüht sogar einen Komparativ: Sie sei pragmatischer als frühere Generationen. So ein Unfug – man muss den Pragmatismus wirklich vor den sogenannten Pragmatikern in Schutz nehmen.
    Seinen Namen erhielt der Pragmatismus von dem US-amerikanischen Mathematiker und Philosophen Charles Sanders Peirce im Jahre 1878, und 1907 erschien der Standardtext mit dem Titel Der Pragmatismus von William James. Kern des Pragmatismus ist, dass er die Wahrheit eines jeden Urteils nach den Konsequenzen bemisst. Der Pragmatismus ist das Reich der Zwecke, hier entsteht die Sinngebung des gesellschaftlichen Lebens. Der
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