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Lallbacken

Lallbacken

Titel: Lallbacken
Autoren: Henning Venske
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bürgernahe Kontaktbereichspräsidenten? Ursache und Wirkung zu vertauschen gehört zum Rüstzeug von Politikern.

17
Die vierte Gewalt
    Schopenhauer hat den Rahmen für jede kabarettistische Bemühung abgesteckt: »So sehr auch auf der Bühne der Welt die Stücke und die Masken wechseln, so bleiben doch in allen die Schauspieler dieselben. Wir sitzen zusammen und reden und regen einander auf, und die Augen leuchten, und die Stimmen werden schallender: Ganz ebenso haben andere gesessen, vor tausend Jahren: Es war dasselbe, und es waren dieselben: Ebenso wird es sein über tausend Jahre.«
    Ja, Krieg und Frieden, Arm und Reich, Macht und Ohnmacht, Moral, Gesundheit, Ausländer und Korruption. Jedes Thema findet regelmäßig sein Recycling, auf jeden Fortschritt folgt prompt ein Rollback. Die Älteren haben nicht vergessen, dass es der Christdemokrat Helmut Kohl war, der sich für das Privatfernsehen stark gemacht hat, weil er davon überzeugt war, Privatfernsehen sei ein solides geistiges Fundament für die von ihm propagierte geistig-moralische Wende. Die ist gelungen.
    Heute sind die Medien – bis auf die öffentlich-rechtlichen Fernsehkanäle – in Privatbesitz. Das ist das System: Die Fernsehsender sind wie auch der größte Teil der Printmedien die Transporteure der herrschenden Ideologie. Sie predigen den Segen des Konsums, sie versenden Heilsversprechen der Warenwelt, sie preisen die himmlische Gabe möglichen Reichtums für jeden, sie singen das Hohelied der Anpassung und der Akzeptanz, und die Gemeinde der Zuschauer merkt nicht, dass sie einer Uniformierung und permanenten Gehirnwäsche unterworfen wird. Dies allerdings wird nicht thematisiert – das hieße ja, die Systemfrage zu stellen. Und das wäre auch in kabarettistischen Sendungen nicht wirklich ratsam, will man in diesem Medium weiterhin tätig sein. Deswegen kann man als Zuschauer, wenn man nicht rechtzeitig das Fernsehgerät ausschaltet, angesichts des »Satiregipfel«, der eher ein Hügel ist und auch nicht aus Satire besteht, nicht Systemkritiker, sondern neoliberale Mittelstandshumoristen betrachten.
    Weit verbreitet ist der Irrtum, wenigstens in den Nachrichtensendungen – seien es ARD, ZDF, n-tv, andere Fernsehsender oder seien es Druck- oder Online-Ausgaben von Zeitungen – werde man objektiv informiert. Wird man nicht.
    Die so oft gepriesene Pressefreiheit endet abrupt, wenn die Interessen großer Anzeigenkunden beeinträchtigt werden könnten, und Nachrichtenredaktionen sind längst verkommen zu Drückerkolonnen des politischen Systems, deren Elaborate verbreitet werden durch die schnieken Hauspapageien der Sendeanstalten. Möglicherweise sind es auch nur virtuelle Angestellte, deren gelegentlich erbarmungswürdiges Deutsch, in dem es »dem Opfer das Leben kostet« und »dem man dann gedenkt«, nicht nur Studienräte missmutig stimmt.
    Der gesamte Nachrichtenapparat besteht aus Propagandainstrumenten zum Lob oder zur Rechtfertigung des westlichen way of life, zur Begründung imperialistischer Aggression und zur Manipulation der Bevölkerung.
    Bestes Beispiel: Randale in englischen Großstädten. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hält es für unwahrscheinlich, dass es in deutschen Großstädten zu ähnlichen Krawallen wie in Großbritannien kommen könnte. Die soziale Integration sei in den vergangenen Jahren in Deutschland deutlich vorangekommen, meinte er.
    Dafür nimmt er aber das Wort »integrationsunwillig« recht häufig in den Mund.
    Auch Deutschlands Fernsehen und Presse verbreiten in zahlreichen Kommentaren die Botschaft, die gewalttätigen Ausschreitungen in England hätten nichts mit den bedrückenden sozialen Verhältnissen zu tun. Außerdem vermisst man, damit es ordnungsgemäß politisch zugeht, Plakate, Anführer, vorschriftsmäßig angemeldete Demos und Bekennerbriefe, und weil das alles fehle, sei der Aufstand einfach nur kriminell.
    Der Minister und seine Medien wollen nicht wahrhaben: Ursache für die Gewalt in Großbritannien ist die einst von Maggie Thatcher durchgepaukte konservative Ideologie von der Herrschaft der Märkte, der Kommerzialisierung aller Lebensverhältnisse und dem Segen des ökonomischen Egoismus. Dadurch wurde die Basis demokratischer Willensbildung ruiniert und wurden lebensnotwendige gemeinschaftsfördernde Einrichtungen abgeschafft. Das Volk wurde enteignet, und weder Energieversorgung noch Wasserwerke, weder Fernsehen, Eisenbahn und Wohnraum gehören ihm noch. Was da in den Städten auf
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