Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lallbacken

Lallbacken

Titel: Lallbacken
Autoren: Henning Venske
Vom Netzwerk:
sechzigsten Jahrestag der Unesco in Paris behauptete er: »Deutsche essen Sushi und Döner, ohne Goethes Faust zu vergessen.«
    Das hatte Stil. Zumal die Deutschen auch Champagner und Whisky tranken, um solche Sprüche ernstnehmen zu können.
    Bundespräsident Köhler wollte »aufrütteln« und »zum Umdenken bewegen,« und er drosch auf alles ein, was auch nur entfernt nach Phrase aussah: »Mit dem Mut zur Wahrheit und mit Tatkraft können wir unser Land wetterfest machen.« Oder: »Es gibt immer ein Auf und Ab. Meine Botschaft lautet: Es geht auch wieder bergauf.« Besser kann man das nicht formulieren.
    Herr Köhler war, bevor man ihn zum Bundespräsidenten machte, als Generaldirektor des Internationalen Währungsfonds oberster Funktionär einer Organisation, die mit dafür verantwortlich ist, dass sich Millionen Menschen weltweit nicht ein ihre Gesundheit bedrohendes Übergewicht anfressen, und als deren Repräsentant hat er den Bevölkerungen in Entwicklungs- und Schwellenländern erfolgreich viele Jahre lang die Segnungen einer neoliberalen und antisozialen Politik wirklich nahegebracht. Diese Völker waren dann vor Freude auch immer ganz außer sich, wenn Horst Köhler sie als Repräsentant des deutschen Volkes besuchte. Einmal hätte man ihn – aus lauter Begeisterung – in Malawi beinahe in einen Kochtopf gesteckt, und Herr Köhler gab auch zu, wenn es gerecht zuginge auf dieser Welt, dann müsste er sein Geld im afrikanischen Busch als Sättigungsbeilage verdienen.
    Zum Thema Arbeitslosigkeit formulierten die Medien in der Amtszeit Köhlers eine Fülle einfallsreicher Sätze. Zum Beispiel: Die Regierung muss jetzt weiter handeln, das heißt, sie darf nicht untätig sein. Oder: Es bringt nichts, mit Horrorgemälden im Trüben zu fischen. Das stand fest: Die Quatschköpfe jeglicher Couleur hatten Vollbeschäftigung.
    Und so trat auch Bundespräsident Köhler vor den Unternehmern ans Rednerpult, und die Erwartungen, die sich auf seine Grundsatzrede richteten, waren so groß, dass er sogar für einen Furz stehende Ovationen bekommen hätte. Es war verständlich, dass Horst Köhler, der als Staatssekretär von Theo Waigel mitverantwortlich war für die Finanzierung der Einheit über die Sozialkassen, sich für einen unerhört tiefen Denker hielt, weil weite Teile der Öffentlichkeit ihm diese Qualität lautstark bescheinigten. Dabei war dieser Präsident mit seinem Leerlauf auf höchstem Niveau eine Art Papagei seiner selbst, denn immer wieder deklarierte er die Lohnnebenkosten zum »Kernproblem« des Arbeitsmarktes und behauptete, die Bürger hätten sich »gern immer neue Wohltaten versprechen und Geschenke machen« lassen. Als ob die Bevölkerung diese angeblichen »Geschenke« nicht mit ihren Steuern selbst bezahlt hätte. An anderer Stelle räumte Köhler aber auch ein: »Möglicherweise spüren die Menschen, dass durch Parteipolitik die Arbeitslosigkeit nicht weggeht.« Möglicherweise, Herr Köhler, möglicherweise.
    Kurzum: Köhler hielt Reden, die nicht der Rede wert sind und die oft klangen, als lese jemand Gagatexte aus dem FDP-Programm vor. Die Köhler’sche Gedankenwelt, bestechend in ihrer Schlichtheit, folgte der Logik eines typischen Arbeitgeberpräsidenten.
    Zu den unterschiedlichen Arbeits- und Lebensbedingungen auf BRD- und DDR-Gebiet fand Bundespräsident Köhler goldene Worte. In Fragen der Gesundheitsreform deponierte Herr Köhler hilfreiche Ratschläge mitten im Herzen der Beitragszahler: »Die Reihenfolge der Reformschritte muss stimmen. Das Pferd darf nicht von hinten aufgezäumt werden.« Wäre die Gesundheitsministerin darauf von allein gekommen? Eben.
    Dann ermunterte er die Arbeitslosen »gleichwohl zu mehr Flexibilität bei der Suche nach einem Arbeitsplatz«. Er gab damit zu erkennen, dass er es nicht für allzu schlimm hielt, wenn ganze Landstriche entvölkert wurden, weil deren Bewohner keine Arbeit fanden. Er wusste ja genau, worin die Freiheit des modernen Menschen besteht: nämlich in der Entscheidung, entweder abzuhauen oder arm zu bleiben. Das zumindest hatte er von den Afrikanern gelernt.
    Und eines Tages kam Lallbacke Köhler, übrigens ein recht guter Freund von Thilo Sarrazin, zu der Erkenntnis: »Solidarität ist Selbsthilfe.« Früher verstand man unter Solidarität Beistand in Wort und Tat, vor allem der Starken für die Schwachen. Laut Bundespräsident Köhler sollten sich die Schwachen nun selbst helfen. Köhler sagte dies angesichts der notleidenden Banken,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher