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Laennaeus, Olle

Laennaeus, Olle

Titel: Laennaeus, Olle
Autoren: Das fremde Kind
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...»
    «Ihre Schuld?»
    «Ja, so haben sie es gesehen. Irgendeine
verdammte Erbsünde. Aber grab jetzt, verdammt nochmal, sonst blas ich dir den Schädel
weg!»
    Konrad rammt den Spaten wieder in die
Erde. Gräbt sich wie ein Maulwurf in die Tiefe, unmittelbar neben der bemoosten
Steinpyramide. Er sticht und hackt wie ein Besessener. Stumme Steine. Zähes Wurzelwerk.
Die Grube ist inzwischen gut einen Meter tief, und er klettert hinein, um besser
arbeiten zu können, während sich der schlammige Lehmboden an seinen Joggingschuhen
festsaugt. Und mit jedem Augenblick graut es Konrad mehr davor, auf was er stoßen
wird.
    Klas ist verrückt!, dröhnt es in seinem
Kopf, während er weitergräbt. Er wird uns töten. Und hier begraben, direkt neben
ihr. Aus dem Augenwinkel heraus bemisst Konrad den Abstand zu seinem Stiefbruder.
Der Spaten ist scharfkantig. Wenn er ihn unvermittelt losschleudert, kann er sich
in ein tödliches Projektil verwandeln. Aber der Weg ist zu weit. Er schaut zu Gertrud
rüber. Vielleicht verschont er wenigstens sie.
    Das erste Stück Knochen ist gelblich
weiß und gebrochen. Ein Schlüsselbein oder ein Unterarmknochen? Konrad überkommt
eine Übelkeit. Er ist kurz davor, sich zu übergeben. Er schluckt und schluckt und
spürt, wie sich warme Tränen mit den kalten Regentropfen im Gesicht vermischen.
Aber weder vermag er noch wagt er aufzuhören. In der Erde kommen weitere Fragmente
eines Skeletts zum Vorschein. Und werden vom Regen reingewaschen. Konrad betrachtet
sie und weiß, um was es sich handelt - wem sie gehören -, aber zugleich kommt ihm
alles so unwirklich vor, dass es ihn nicht kümmert, ob die Knochen angesichts seines
Arbeitseifers zerbrechen. Das hier kann einfach nicht Agnes sein! Es kann nicht
seine Mutter sein! Es ist so unwürdig.
    Dann liegt der Schädel da, im braunen
Matsch kaum als solcher erkennbar.
    «Hör auf jetzt!»
    Klas' Stimme ist plötzlich schrill.
Er schnieft geräuschvoll und reibt sich mit der Hand die rotgeränderten Augen. Ein
Gemisch aus Kautabak, Schnodder und Regenwasser läuft ihm aus den Mundwinkeln. Das
Gewehr hängt ihm unterm Arm, der Lauf zu Boden gerichtet.
    «Warst du derjenige, der sie getötet
hat?», keucht Konrad. «Du und deine verdammten Kumpels?»
    Klas schüttelt den Kopf. Auf einmal
sieht er wie ein kleiner Junge aus, so alt er auch ist. Unbeholfen, völlig eingesaut
und unglücklich. Und dann stellt Konrad fest, dass er weint.
    «Du hast wohl immer noch nichts kapiert,
oder?»
    Konrad blickt zu Gertrud rüber, die
sich nicht vom Fleck gerührt hat, und dann wieder zu Klas, verständnislos. Dessen
Augen strahlen jetzt fast etwas Beschwörendes aus.
    Ein Quälgeist.
    Ein gequälter Geist.
    «Der Mörder ist derselbe», schnieft
er. «Kapierst du? Deine Mutter und meine Mutter. Vierzig Jahre liegen dazwischen.
Aber es ist derselbe Mörder ...»
     
    D as Haus liegt
nicht mehr als dreihundert Meter vom Grab entfernt, aber gut versteckt zwischen
Nadelwald, Laubbäumen und dichtem Buschwerk. Es ist ein rotes Ziegelhaus mit Spitzdach.
Auf der Rasenfläche steht eine Gruppe weißgestrichener Gartenmöbel, und direkt
daneben befindet sich ein Brunnen mit einem rostigen Pumpschwengel. Der Regen hat
etwas nachgelassen. Aus dem Schornstein steigt grauer Rauch auf. Auf der schmalen
Auffahrt zum Haus steht ein dunkelgrüner Landrover.
    Der grüne Jeep, denkt Konrad. Ich hab
ihn mehrfach hier im Tal gesehen.
    Noch bevor Klas die Tür mit dem Fuß
auftritt und sie mit Hilfe seiner Schrotflinte hineinbugsiert, weiß Konrad, wem
er begegnen wird.
    Arvid Linder wirkt aufrichtig erstaunt.
Er scheint sie nicht kommen gehört zu haben, und einen kurzen Augenblick irrt sein
Blick umher, als suche er instinktiv nach einem Fluchtweg. Dann macht er einen
Ansatz aufzustehen, überlegt es sich jedoch anders und bleibt mit einem Buch im
Schoß in seinem Ledersessel sitzen. Links von ihm knistert ein Feuer im Kamin,
und auf dem Tisch vor ihm steht ein Weinglas.
    «Klas Jönsson ... Wir haben uns wirklich
lange nicht mehr gesehen.»
    Seine Stimme klingt freundlich und
akademisch gebildet, genau wie beim letzten Mal. Doch Konrad nimmt in seinem Blick
nun einen völlig anderen Ausdruck wahr. Linder hält die Armlehnen seines Sessels
krampfhaft umfasst. Seine Hände sind groß und kräftig.
    «Wie ich sehe, hast du Gäste mitgebracht.»
    Jetzt lächelt der Professor wie ein
Wolf, der versucht, seinen Feind einzuschätzen. Er trägt eine braune Strickjacke,
ein hellblaues
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