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Laennaeus, Olle

Laennaeus, Olle

Titel: Laennaeus, Olle
Autoren: Das fremde Kind
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Knall,
der ihnen fast das Trommelfell platzen lässt.
    Es ist kein Donner.
    Es ist Klas.
    Er steht gegen einen Baumstamm gelehnt,
und aus der Mündung seiner doppelläufigen Schrotflinte steigt eine kleine Rauchfahne
auf. Weiße Spuren an einer Felsenklippe ein Stück über ihnen lassen erkennen, wo
die Schrotladung Steinsplitter weggesprengt hat. Ohne Konrad aus den Augen zu lassen,
klappt er die Waffe auf, lässt die verbrauchte Patronenhülse auf den Boden fallen
und steckt eine neue hinein. Das karierte Flanellhemd, das ihm über die ausgebeulten
Hosen hängt, ist schmutzig. Die Kappe auf seinem grauen Stoppelhaar voller Flecken.
Seine Oberlippe wölbt sich über einem Brocken Kautabak. Doch ausnahmsweise wirkt
Klas einmal nüchtern.
    «Wllst du denn nicht graben?»
    Seine Stimme klingt schroff und feindlich.
    «Oder willst du dir deine zarten Finger
nicht schmutzig machen?»
    Er greift hinter dem Baumstamm nach
etwas, starrt sie dabei aber weiterhin an. Ein Gegenstand fliegt durch die Luft.
Es scheppert, als er auf dem Boden landet und gegen die Steinpyramide stößt. Ein
kleiner grüner Militärspaten.
    «Nun grab schon, zum Teufel! Du hast
doch schon so lange gesucht.»
    Er legt den Lauf seiner Flinte auf
der Schulter ab. Spuckt auf den Boden. Ganz offensichtlich ist sich Klas seiner
überlegenen Position bewusst.
    Konrad ist auf einmal völlig klar im
Kopf. Er spürt das Adrenalin durch seinen Körper rauschen. Das Blut pocht ihm in
den Schläfen. Er sieht den Schrecken in Gertruds Augen, sie umklammert seine Finger
und beißt sich auf die Lippe. Klas' Miene ist vollkommen reglos, es ist unmöglich,
seine Gedanken zu lesen. Doch Konrad sieht ein, dass es kein Zurück mehr gibt. Der
Spaten auf dem Boden.
    Im selben Augenblick, in dem er sich
von Gertruds Hand löst, explodiert der Himmel in gleißendem Licht. Der Knall ist
ohrenbetäubend, und für eine Sekunde ist der Wald hell erleuchtet.
    Dann kommt der Regen.
    Anfänglich fallen vereinzelte Tropfen
durch das Blattwerk herab. Dann bricht ein prasselnder, tosender Sturzregen wie
ein reißender Strom über sie herein, drückt Aste und Zweige
herab, peitscht die trockene Erde und hüllt den Wald in einen grauen Nebel.
    Klas wirkt völlig unberührt. Er macht
ein paar Schritte auf sie zu.
    «Los, mach schon. Grab endlich!», ruft
er durch das Getöse hindurch.
    Er deutet mit seiner freien Hand auf
eine Stelle unmittelbar vor den Feldsteinen.
    Konrad nimmt den Spaten zur Hand. Er
ist bereits bis auf die Haut durchnässt.
    Es ist kalt geworden. Durch den bleischweren
Regen bilden sich Pfützen auf dem Boden, der die Wassermassen, die vom Himmel stürzen,
keinesfalls aufnehmen kann. Gertrud steht wie versteinert da, sie ist durchnässt
wie ein Waldgeist, der gerade einem Tümpel entstiegen ist. Ihre Haare kleben wie
Seetang an Wangen und Hals. Mit voller Kraft rammt Konrad den Spaten in den Boden,
wo er tiefer einsinkt, als er vermutet hat.
    «Ich hab deinen Wagen gesehen», schreit
Klas durch den Regen.
    Konrad gräbt weiter. Die sandige Erde
hat sich rasch in Schlamm verwandelt. Sie ist voller Steine und Wurzeln, aber der
Spaten ist scharfkantig.
    «Du denkst bestimmt, dass ich euch
gefolgt bin.» Klas kommt noch ein paar Schritte näher. «Aber so ist es nicht. Ich
bin eigentlich wegen etwas anderem hier. Hab nur durch Zufall deinen Opel gesehen
und das Nummernschild erkannt.»
    Seine Worte verwirren ihn. Konrad hackt
und sticht ohne Unterlass, ohne zu antworten. Schnell hat er eine Grube ausgehoben.
Aber mit jedem Spaten Erde, den er ausgräbt, rutscht fast genauso viel lehmiger
Boden wieder nach. Das Wasser rinnt ihm in die Augen und nimmt ihm die Sicht. Was
will Klas eigentlich sagen?
    «Hat es dir etwa die Sprache verschlagen?
Du bist doch sonst nicht auf den Mund gefallen.»
    Konrad hält inne. Er blinzelt ein paarmal,
um wieder klar sehen zu können.
    «Und was werde ich hier finden, Klas?»
    «Grab weiter, dann wirst du schon sehen
...»
    «Du hasst mich wirklich, oder?»
    Der andere nickt langsam. Der Lauf
seiner Schrotflinte senkt sich langsam. Zwei schwarze Augen starren ihn drohend
an.
    «Findest du das denn so abwegig?»
    «Aber warum ...?»
    Klas schnaubt verächtlich.
    «Sie haben dich nie geliebt, ich hoffe,
du weißt das.»
    «Herman und Signe?»
    «Sie haben sich um dich gekümmert,
klar. Wie um ein verdammtes Haustier. Aber du warst nie ihr richtiger Sohn, kapierst
du das? Sie wollten nur ihre Schuld sühnen. Ihre verdammte Schuld
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