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Laennaeus, Olle

Laennaeus, Olle

Titel: Laennaeus, Olle
Autoren: Das fremde Kind
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stets
über den Baumwipfeln kreisten. Die vergessenen, verfallenen Häuser. Und vielleicht
... Agnes in der schwarzen Erde unter einem Haufen aus vier moosbedeckten Steinen.
    Gertrud schnappt sich den Brief und
liest ihn.
    «Mein Gott!», ruft sie aus.
    Konrad ist bereits aufgestanden. Er
hat nur einen Gedanken im Kopf. Er muss dorthin.
    «Was hast du vor?», fragt sie besorgt.
    Er antwortet nicht, sondern greift
sich die Autoschlüssel von der Hutablage, schiebt den Brief in die Hosentasche und
steigt in die Schuhe, ohne sich die Mühe zu machen, die Schnürsenkel zu binden.
    «Sollte nicht besser die Polizei ...?»
    Aber Gertrud merkt, dass er nicht zuhört.
    «Warte! Ich komme mit.»
    Innerhalb von zwanzig Sekunden hat
sie den Morgenmantel abgeworfen und sich Jeans und ein Shirt übergezogen. Die
Sandalen nimmt sie in die Hand, als sie hinter ihm her und hinunter zum Auto rennt.
     
    D en schwarzen
Himmel betrachtet er als Zeichen. Ein Todesurteil.
    Er umfasst den Stahl mit festem Griff.
    Steht wie ein unglückseliger Schatten
schwer atmend am Waldrand und hofft aus irgendeinem Grund auf das Unwetter. Es muss
Scheißwetter sein. Der Tod muss, verflucht nochmal, schmutzig und abstoßend sein,
genau wie das Leben für ihn geworden ist.
    Soll er sterben?
    Ja, zum Teufel mit ihm, er soll sterben,
der alte Dreckskerl. Manchmal hat er daran gezweifelt, aber verdammt nochmal, er
soll sterben, wie alle anderen auch.
    Der Gedanke daran, ihm den Spaten über
den Schädel zu ziehen oder ihm eine ordentliche Ladung Schrot geradewegs in die
selbstgefällige Fresse zu ballern, verschafft ihm eine große Genugtuung.
    Er blickt sich im Wald um, schaut dann
in Richtung Tal und zum Fluss hinüber. Wie bin ich eigentlich hierhergekommen?
Die Erinnerung ist wie weggeblasen. Muss wohl gefahren sein, denkt er. Aber das
spielt letztlich keine Rolle.
    Was war es, das ihn hierhergetrieben
hat? Die Entschlossenheit. Die Überzeugung, dass er allem ein Ende bereiten muss,
ein für alle Mal. So viel ist ihm klar.
    Er schaut hinauf zu den großen Raubvögeln,
die da oben über den ßaumwipfeln ihre Kreise ziehen. Sind es womöglich Geier? Die
Vorstellung, dass sie den Idioten in Stücke reißen würden, gefällt ihm. Obwohl,
was zum Teufel weiß ich eigentlich über Raubvögel?, denkt er.
    Dann schlurft er weiter zwischen den
Baumstämmen hindurch, stolpernd und fluchend. Er hat sich entschieden. Jetzt gibt
es kein Zurück mehr.
     
    D raußen vor
der Haustür schlägt Konrad und Gertrud eine Wand aus stickiger Luft entgegen, die
sie beide gleichzeitig nach Luft ringen lässt. Der Wind ist vollständig abgeflaut.
Der Himmel wirkt bedrohlich, wie das Dach einer Grotte, die kurz davor ist einzustürzen.
Stahlgrau und wie elektrisch aufgeladen. Es kommt ihnen wie ein Wunder vor, dass
das Unwetter noch nicht über sie hereingebrochen ist.
    Konrad fährt in hohem Tempo auf einer
leeren Landstraße in Richtung der Kirche von Benestad, biegt dann nach Süden ab
und kurz darauf wieder nach Westen auf die kleinere Straße, die ins Tal hinunterführt.
«Ich glaube, ich weiß, wo es ist», sagt er. «Sollten wir nicht die Polizei benachrichtigen?
Wir könnten ihnen den Brief zeigen ...»
    «Ich muss es mit eigenen Augen sehen»,
unterbricht er sie. «Ich glaube, ich kenne die Stelle, die er beschreibt. Wr sehen
weiter, wenn wir sie gefunden haben.»
    Inzwischen hat er sich ein wenig gesammelt.
Gedanken und Erinnerungsfragmente von früher surren natürlich immer noch wie ein
Schwarm Wespen in seinem Kopf herum. Aber er sieht klarer. Denkt er zumindest. Er
muss das hier durchziehen, und es kann nicht warten. In der Zwischenzeit sind zwar
fast vierzig Jahre vergangen, aber vielleicht sind noch Spuren vorhanden. Konrad
muss dorthin, bevor sie für immer verschwunden sind.
    Sie überqueren den Fluss, biegen dann
rechts ab und folgen der Schotterstraße, die am Waldrand entlang der südlichen Hügelkette
verläuft. Kurz darauf passieren sie den Abhang, an dem er innerhalb der vergangenen
Woche schon zweimal mit Fatima gewesen ist. Da hat die Sonne sengend heiß von einem
knallblauen Himmel über die Weideflächen geschienen, während heute alles in ein
unwirkliches Dunkel gehüllt ist. Nach einer Weile macht die Straße eine Biegung
hinauf zum alten Schloss, um dann sofort wieder ins Tal hin abzufallen. Im Wald
verborgen liegen Sommerhäuser und Hütten, einige von ihren Bewohnern hergerichtet,
andere wiederum verlassen und mit Wiesen-Bärenklau und wildem
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