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Lady Ghoul

Lady Ghoul

Titel: Lady Ghoul
Autoren: Jason Dark
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mich nicht mehr los. Ich lag mit geschlossenen Augen und fest zusammengepreßten Lippen auf dem nassen Holzbalken und wartete darauf, daß die Welle mich wieder ausspie. Sie ließ sich Zeit. Strömungen schüttelten das Floß durch. Kräfte packten es und trieben es noch tiefer. Ich hatte furchtbare Angst davor, daß mein Floß umkippen würde. Es passierte nicht. Eine andere Welle ergriff die Unterlage und schleuderte mich wieder an die Oberfläche.
    Luft holen, endlich Luft!
    Ich lag auf dem schwankenden Floß und atmete keuchend ein, wobei ich gleichzeitig noch husten mußte. Ja, ich lebte.
    Wie lange noch? Und was war mit Ernie Balsam geschehen? Trieb er auch weiterhin rechts von mir?
    Wieder drehte ich den Kopf.
    Ich sah das Floß, aber ich sah Ernie nicht!
    Dieser Moment der Erkenntnis war mit das Fürchterlichste, was ich je gesehen hatte. Das Floß hatte sich gedreht, und Ernie war noch immer darauf festgebunden.
    Nur konnte er keine Luft mehr holen. Er trieb mit dem Gesicht nach unten und würde jämmerlich ertrinken…
    ***
    Das Bewußtsein, dies miterleben zu müssen, versetzte mir einen Schock, der sich einfach freie Bahn verschaffen mußte. Ich brüllte seinen Namen.
    »Ernie…!« Meine Stimme hallte über das dunkle Wasser und verlor sich im Klatschen der Wellen. »Ernie, verdammt…«
    Eine Antwort bekam ich nicht. Ich konnte sie einfach nicht bekommen. Vielleicht war er schon tot. Vielleicht hatten wir auch alles falsch angefangen. Vielleicht wäre eine Kugel wirklich besser gewesen — wer konnte das schon wissen?
    Mir liefen Tränen über das bereits nasse Gesicht. Tränen der Wut, der Hoffnungslosigkeit, der Angst, es kam alles zusammen. Ernies Floß schaukelte im gleichen Rhythmus auf und nieder wie das meinige. Die Stricke liefen als hellere Streifen um die zusammengelegten Holzbarken. Das Floß selbst hob sich kaum von der Wasserfläche ab, aber etwas anderes erschien.
    Dicht neben dem Rand kroch aus der Tiefe etwas hervor. Eine Hand, ein Arm, hell schimmernd, wobei sich die Hand auf das Floß legte. Ich kannte sie, ich hatte sie in London gesehen.
    Es war Celeste!
    ***
    Agatha und ihre Schwestern hatten das Versprechen eingelöst. Celeste war gekommen, um sich die Opfer zu holen. Sie würde ihrem Kampfnamen Lady Ghoul alle Ehre machen.
    Noch beschäftigte sie sich mir Ernie. Mir aber warf sie einen Blick zu. Sie war keine Riesin mehr, das Haar klebte wie nasser Tang auf ihrem Kopf. Bleich waren Gesicht und Körper, aber die Augen leuchteten in einem kalten Rot.
    Jetzt hielt sie den Mund offen, als sie den Kopf drehte und sich mit den angewinkelten Armen auf dem Rand des Floßes abstützte. Sie präsentierte mir ihre Zähne.
    Ein perfektes Ghoul-Gebiß!
    Wer es sah und wußte, wozu diese Wesen fähig waren, konnte nur sein letztes Gebet sprechen.
    Sekundenlang starrten wir uns an. Celeste bewegte die Lippen, als wollte sie mir etwas sagen. Vielleicht sprach sie auch, aber ihre Worte gingen im Klatschen der Wellen unter.
    Dann kümmerte sie sich um Ernies Fesseln.
    Ich hätte die Stricke nur mit einem Messer durchtrennen können, sie aber besaß die entsprechenden Zähne, die an das Gebiß der Piranha-Fische erinnerten. Ein Seil war für sie kein großes Problem.
    Wie ein Hamster den Holzstamm, so nagte sie die Stricke kurzerhand durch. Es dauerte nur Sekunden, bis die ersten beiden rissen, dann folgten die anderen und klatschten ins Meer.
    Unter dem Floß löste sich ein Schatten.
    Ernies Leiche trieb ab. Ich wünschte mir, daß sie wegtrieb und nicht in Celestes Klauen fallen würde, aber Lady Ghoul hatte aufgepaßt. Mit einer geschickten Rolle tauchte sie unter und schwamm hinter der abtreibenden Leiche her. Jetzt wußte ich, welches Schicksal mir bevorstand. Celeste würde wieder auftauchen, auch mein Floß umkippen, dann die Stricke zernagen und mich als Beute…
    Bei diesen Aussichten schüttelte mich die nackte Angst. Wie lange würde meine Galgenfrist dauern? Minuten nur?
    Ich hatte Ghouls beobachtet, die ihr schauriges Mahl hielten. Das konnte schnell vorbei sein, aber auch länger dauern.
    Und Celeste würde mich zappeln lassen. Ich kannte sie zwar nicht so genau, schätzte sie allerdings so ein.
    Bei jeder Welle, die an-und mich überrollte, steigerte sich meine Angst. Sie war für Celeste das ideale Versteck. Ich konzentrierte mich auf das Floß.
    Blieb es ruhig, wurde es von unten angestoßen, geschüttelt oder gedreht?
    Noch passierte dies nicht, aber in meiner Vorstellung
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