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Lady Ghoul

Lady Ghoul

Titel: Lady Ghoul
Autoren: Jason Dark
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Zeit unter Wasser gedrückt, so daß ich Atemnot bekam, doch rechtzeitig genug waren die Flöße wieder an die Oberfläche gedrückt worden. Jetzt klappte es besser. Die langen Wellen spielten mit uns. Mal hoben sie uns an, ließen uns sekundenlang auf dem Wellenkamm schweben, dann drückten sie uns wieder in die Tiefe, in das Tal hinein, wo uns manchmal das Wasser überschüttete.
    Es folgten der Wellenberg und auch Strömungen, die es schafften, die Flöße so nahe heranzubringen, daß sie sich gegenseitig berührten, so daß wir uns auch unterhalten konnten.
    »Sieht beschissen aus, John, nicht?«
    »Du sagst es, Ernie.«
    »Wäre eine Kugel nicht besser gewesen?«
    »Keine Ahnung.« Ich hustete, weil Spritzwasser in meinen Mund gedrungen war. »Hättest du es fertiggebracht, auf mich zu schießen? Sei ehrlich?«
    »Nein.«
    »Ich auch nicht.«
    »Verdammt!« keuchte Ernie, als sich die Flöße wieder berührten. »Ich komme mir vor, als sollte ich die Hexenprobe machen.«
    »So ähnlich ist es auch.«
    »Haben wir trotzdem noch eine Chance?«
    »Wenn du die Fesseln loskriegst.«
    »Optimist.«
    Er trieb rechts von mir und etwas versetzt. Den Kopf konnte ich ein wenig bewegen, der letzte Strick lag dicht unter meinem Hals und schnürte mir die Luft glücklicherweise nicht ab.
    Man hatte Ernie ebenso gebunden wie mich. Aus eigener Kraft kamen wir nicht frei, das stand fest. So waren wir eine leichte Beute für diejenige, die aus der Tiefe steigen und uns töten würde. Wann kam Celeste?
    Dauerte es noch Sekunden oder Minuten? Vielleicht ließ sie uns auch über die Dauer einer Stunde zappeln und die Todesangst spüren. Der Wind wehte kalt wie ein mächtiger Atem über unsere Körper hinweg. Ich fror erbärmlich und klapperte mit den Zähnen. Ernie würde es nicht anders ergehen.
    Ich hatte schon versucht, mich zu bewegen, den Körper in die Höhe zu drücken, aber ich kam gegen diese Bänder einfach nicht an. Sie waren hart wie Stahlseile.
    Plötzlich hörte ich den Gesang. Er stammte von Ernie. Mit lauter Stimme trällerte er ein bekanntes Volkslied.
    »My bonnie is over the ocean, my bonny ist over the sea…« Er mußte husten, weil Wasser in seinen Mund schäumte, dann hörte ich ihn wild fluchen.
    »Was hast du?« rief ich. »Weshalb hast du gesungen?«
    »Mir hat jemand gesagt, daß man singen soll, wenn man Todesangst verspürt.«
    »Und jetzt?«
    »Der Rat war mies. Ich fühle mich noch ebenso elend wie vor dem Gesang.«
    »Dann laß es bleiben.«
    »Farewell, John Sinclair. Tut mir ehrlich leid, daß ich dich in diese Scheiße mit reingezogen habe. Ich… ich wollte es nicht, weißt du?«
    Seine Stimme wurde leiser. Wahrscheinlich stieg es ihm vom Magen her hoch. Die Angst würgte.
    Auch ich spürte sie.
    Es war ein grauenhaftes Gefühl, das ich schon oft erlebt hatte, an das ich mich aber nie gewöhnen würde.
    Sie war einfach da. Auch in tausend oder noch mehr Jahren würde sie nicht verschwunden sein. Solange es Menschen gab, hatten sie mit dieser Angst zu kämpfen.
    Wir gerieten in ein Wellental und dann wieder gegen eine Querwelle. Rechtzeitig genug schloß ich den Mund, ließ die Augen aber offen, die vom Salzwasser schon brannten, und bekam den Eindruck, in Glas zu starren.
    Das Wasser glitt vorbei, ich atmete wieder frei auf und hörte auch Ernie Balsams Stimme.
    »Bist du noch da, John?«
    »Ja, soeben.«
    »Wann wird sie kommen?«
    »Überhaupt nicht, hoffe ich.«
    »Ha.« Er lachte sogar. »Du Optimist, du. Weißt du, ich werde jetzt noch einmal…« Auf einmal änderte sich seine Stimme. »Verflucht, John, was ist das?«
    »Was denn?«
    »An meinem Floß, da ist etwas. Unter mir. Da stößt etwas gegen, verstehst du?«
    »Vielleicht ein Felsen oder so.« Ich glaubte daran selbst nicht, weil wir zu weit vom Ufer entfernt waren. Wahrscheinlich lauerte Celeste schon in der Nähe. Gespannt wartete ich auf eine Antwort. Sie kam nicht. »He, Ernie…«
    Auch jetzt blieb es still.
    Verdammt noch mal, auch ich spürte das Würgen in meiner Kehle. Verzweifelt zerrte ich an den Stricken, wollte mir etwas Bewegungsfreiheit verschaffen, es klappte nicht.
    Dann rollte die Welle heran. Ich sah sie diesmal rechtzeitig genug herankommen. Von vorn lief sie auf mich zu, erreichte zuerst die Füße, dann meine Beine und war wie ein Stück Glas, das sich immer weiter ausbreitete und mich verschlang.
    Gleichzeitig drückte sie auch das Floß nach unten. Oder war es Celeste, die daran zog?
    Der Gedanke an sie ließ
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