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Lady Ghoul

Lady Ghoul

Titel: Lady Ghoul
Autoren: Jason Dark
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existierten plötzlich Bilder, wie es wohl sein würde, wenn jemand auf schreckliche Art und Weise ertrank.
    Es mußte einfach grausam sein. Dieses Verlangen nach Luft und das Wissen, nicht atmen zu können…
    Ich dachte nicht mehr weiter, denn etwas hob das Floß hoch und schleuderte es wieder an die Oberfläche.
    Nicht Celeste!
    Ich riß den Mund auf. Wasser rann über mein Gesicht, tropfte auch in den Mund, ich keuchte wild, ich hustete, und meine Angst näherte sich schon fast der Wahnsinnsgrenze.
    Aber ich hörte etwas.
    Es war ein ungewöhnliches Geräusch, das nichts mit dem Klatschen der Wellen zu tun hatte.
    Zuerst glaubte ich, daß mir meine Ohren einen Streich spielen würden, daß sie durch das eindringende Wasser geschädigt worden waren, aber das Geräusch blieb.
    Tuckern und Knattern. Wie ein Motor!
    Dann kam der Schatten. Er näherte sich von der Backbordseite meinem kleinen Floß, das in diesem Augenblick einem Wellenkamm entgegenritt. Ein Boot tauchte auf. Mit meinen Rettern an Bord?
    Das Boot war da, es senkte sich zusammen mit dem Floß, gleichzeitig erschien über der Bugkante ein Gesicht.
    Es war jung, es war verzerrt, es besaß rote Augen, und es gehörte einer jungen Frau. Karen!
    War sie gekommen, um mich zu töten? Mir den Gnadenschuß zu geben wie einem alten Pferd? »Ich hol' dich raus!« schrie sie. Zuerst glaubte ich, mich verhört zu haben. Sie wollte mich rausholen?
    Sie — eine der Celeste-Dienerinnen?
    Es war mir nicht nur unbegreiflich, ich konnte es auch kaum fassen. Durch die Kraft des Hilfsmotors gelang es ihr relativ gut, in meiner Nähe zu bleiben.
    Aber wie würde sie es bewerkstellen? Außerdem drängte die Zeit. Jede Sekunde konnte Celeste erscheinen und noch alles klarmachen. Karen war geschickter und schlauer, als ich angenommen hatte. Sie stand im Boot und sprang plötzlich. Dabei hielt sie eine Leine in der Hand, die sie mit dem Kahn verband. Den Motor hatte sie abgestellt. Sie schwebte für einen Moment über mir wie ein großer Vogel, dann prallte sie auf das Floß und krachte auch auf meine Beine. Die Unterlage begann zu schwanken, sie kippte leicht. Ich befürchtete schon das Schlimmste, und sie rutschte auf dem nassen Holz ab. Neben mir verschwand sie im Wasser.
    Ich zitterte um jede Sekunde. Mein und Karens Leben hing an einem seidenen Faden. Sie tauchte wieder auf.
    Plötzlich war ihr Kopf da. Die Haare lagen klatschnaß über der Stirn, das Gesicht war verzerrt, als sie sich aufstemmte und versuchte, auf das Floß zu klettern. Die Leine hielt sie noch fest.
    Karen schaffte es. In ihrem jungen schlanken Körper steckten noch zahlreiche Reserven, die sie nun einsetzte, um sich auf das Floß zu stemmen. Dabei kippte es gefährlich zur Backbordseite weg. Ich bekam Angst, daß ich vollends unter Wasser geriet und brüllte: »Mach den Arm lang, Mädchen! Halt dich an mir fest!«
    Sie tat es auch. Ihre Finger krallten sich in den nassen Stoff der Hose. In Flöhe der Wade hielten sie fest, und sie schob ihren Oberkörper vor. Weit hatte sie den Mund aufgerissen. Über die Lippen rann Speichel und Wasser. Die Leine hielt sie eisern fest. Sie umschlang ihr rechtes Handgelenk.
    Dann lag sie schräg auf mir, drehte sich und schaute mich verzweifelt an.
    »Hast du ein Messer?« schrie ich.
    »Nein!« Sie heulte das Wort.
    »Aber ich! Versuch, unter meine Jacke zu greifen. Da befindet sich ein Dolch!«
    »Gut!«
    Ihre Finger suchten einen Weg. Sie waren naß und steif geworden. Die Stricke glichen hartem Holz, aber sie schaffte es, eine Hand darunterzuschieben und in Höhe meines Gürtels nach dem Dolch zu tasten.
    »Hast du…?«
    Da kam die Welle.
    Sie war wie ein gewaltiges Stück Glas. Sie überspülte uns, hatte Kraft. Mir wurde das Wort von den Lippen gerissen, das Floß senkte sich der Tiefe entgegen, und ich sah die Hoffnung schon fahren. Es mußte mehr Gewicht tragen und würde Mühe haben, sich wieder aufzurichten. Lange, sehr lange blieben wir unter Wasser. Erst allmählich richtete sich das Floß wieder auf, durchbrach die Fläche, die Welle rann ab, wir konnten Luft holen und waren beide am Ende unserer Kräfte. Dennoch mußte es weitergehen.
    »Ich… ich habe es!« brüllte Karen. »Ich habe den Dolch. Bitte, ich…«
    »Die Seile, Karen! Schneide sie durch. Mach schnell! Celeste war schon hier.«
    »Ich weiß, ich habe sie gesehen!« schluchzte sie. Klatschnaß hockte sie neben mir, war darum bemüht, das Gleichgewicht zu halten und säbelte am ersten Strick.
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