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Lacrima Nigra (Phobos) (German Edition)

Lacrima Nigra (Phobos) (German Edition)

Titel: Lacrima Nigra (Phobos) (German Edition)
Autoren: Michael Schuck
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Unangenehmes erledigt. Oder besser, etwas Unangenehmes nicht erledigt.
    Was er empfand, schrieb er in sein Tagebuch. Er begann: "Ich bin sehr müde."
    Es war jetzt acht Uhr. Alef begann zu arbeiten.
    Es mochten etwa zwei Jahre ins Land gegangen sein. Eine Männerstimme am Telefon. Alef hatte im Garten gearbeitet und mähte den Rasen. Seine Tochter rief ihn herein. Sie war zwar erst sechs Jahre alt, aber sie hätte ohne Schwierigkeiten den Telefondienst für das Pfarramt übernehmen können. Seufzend stellte Alef den Rasenmäher ab und ging ins Haus.
    Das Telefon stand selten still. Ein unruhiger Haushalt. Bis zu dreißig Anrufe am Tage und zehn Menschen an der Türe. In normalen Zeiten. Und alles kriegte die Familie ab.
    Ein trauriger Mann sei am Telefon, hatte die Tochter gesagt. Und sie hatte recht.
    Der Mann klang wie ein sehr alter, trauriger Mann, als er sagte: "Meine Frau ist tot."
    "Mein herzliches Beileid", sagte Pfarrer Alef und sah auf die Spur von grünem Gras herab, die er offenbar vom Garten aus durch das Wohnzimmer und weiter durch das ganze Haus bis zum Telefon im Arbeitszimmer gezogen hatte. Alef erkannte die Stimme nicht.
    "Darf ich sie zunächst einmal nach Ihrem Namen fragen?"
    "Ganters!"
    "Und Ihre Frau ist verstorben?"
    "Ja!"
    "Sie möchten jetzt die Beerdigung anmelden?"
    "Ja!"
    "Also, wir können jetzt am Telefon schon einmal den Termin besprechen, damit Sie ihn an den Beerdigungsunternehmer weitergeben können."
    "Ja!"
    Alef fischte aus dem Chaos seines Schreibtisches seinen Terminkalender heraus und blätterte mit einer Hand.
    "Ich könnte die Beerdigung am Freitag machen, um 14 Uhr. Ist Ihnen das recht?"
    Alef hörte wie der Mann leise mit jemandem anderen sprach.
    "Ja!", sagte er schließlich.
    "Und ich kann morgen früh zu Ihne n kommen, sagen wir um zehn Uhr?" Alef sah sich verschiedene andere Termine umlegen. Aber in dieser Beziehung war er ein Virtuose.
    "Ja!"
    "Darf ich Sie noch um den vollen Namen Ihrer Frau bitten?"
    "Brigitte Ganters!"
    "Und wie alt war Ihre Frau?"
    "31!"
    Alef stutzte.
    Das Bild vom alten oder mindestens alternden Ehepaar brach in sich zusammen.
    "War Ihre Frau Altenpflegerin?" fragte Alef ahnungsvoll.
    "Ja!"
    "Einunddreißig Jahre alt. Das ist sehr jung. Ist sie verunglückt?"
    "Sie ist an Krebs gestorben!"
    "Ach, wie schrecklich!", brachte Alef heraus und er meinte es genau so. "Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll, es verschlägt mir richtiggehend die Worte. Ich glaube, ich erinnere mich an Ihre Frau. Können wir alles weitere morgen besprechen?"
    " Mmh!" machte der Mann.
    "Sind Sie jetzt allein?" , fragte Alef noch.
    "Nein, Schwiegermutter ist hier."
    "Es ist vielleicht ganz gut, wenn jetzt jemand bei Ihnen ist", sagte Alef.
    "Ja!" , sagte der Mann.
    Es klang tonlos. Als spräche der Mann aus einer ganz tiefen Höhle heraus.
    Alef verabschiedete sich. Er sah dem Besuch am nächsten Morgen mit gemischten Gefühlen entgegen. Alef wählte die Nummer des Altenheimes und ließ sich mit der Schwester Oberin verbinden. Das Altenheim wurde von Ordensschwestern geführt. Zwei Oberinnen hatte Alef schon erlebt. Diese war in Ordnung: Etwas burschikos vielleicht, aber mit erstaunlicher Menschenkenntnis.
    "Ja, die Schwester Brigitte", sagte Schwester Oberin. "Sie war eigentlich etwas zu gut für diese Welt. Zu lieb."
    "Wie lange ist sie krank gewesen?"
    "Also, sie meinen, wann die K rankheit offen ausgebrochen ist? Sie ist nach der ersten Behandlung Chemo und den Bestrahlungen noch einmal arbeiten gekommen. Aber sie hatte keine Kraft mehr. Dass sie das erste Mal krankfeierte, das war vor etwa eineinhalb Jahren."
    Eineinhalb Jahre Krebs in diesem schmalen, fast unterernährten Körper, dachte Alef.
    "Ich habe morgen früh ein Gespräch mit ihrem Ehemann und wollte mich vorher noch etwas informieren."
    "Ja das kann ich verstehen. Der Mann ist ja auch sehr wortkarg. Fast denke ich, er ist etwas zurückgeblieben."
    Alef dankte der Oberin und beendete das Gespräch.
    Auch diese Nacht bescherte ihm schweren Schlaf.
    Am nächsten Morgen betrat Alef pünktlich um zehn Uhr die Wohnung der Ganters. Sie war sehr klein, sehr dunkel und sehr verraucht. Eine Mietwohnung.
    Der Ehemann ließ ihn ein. Nickte zum Gruß.
    Ausführlicher wurde Alef dagegen von Brigittes Mutter begrüßt, einer kräftigen, rotgesichtigen, in jeder Hinsicht voluminösen Frau.
    Wie kam eine so massige Frau zu so einer schlanken Tochter?
    Sie setzten sich um einen ovalen Couchtisch. Alef bekam Kaffee
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