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Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
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Galathemas verbietet? Kapitel XXVI, Band 119, Ziffer 10, Paragraph 561 f. Natürlich, wenn man sich sein Examen mit elektronischen Spickzetteln und Wanzen im Kugelschreiber erschlichen hat, dann bleibt später nichts anderes übrig, als in Friedhöfe einzudringen und Gräber zu plündern. Es ist doch immer dasselbe. In meinem letzten Jahr an der Akademie habe ich zweimal, also sowohl im Sommer- als auch im Wintersemester, eine Vorlesung über kybernetische Deontologie gehalten. Nicht zu verwechseln mit Dentologie. Hier ging es um einen Ehrenkodex für Omnipotenzler! Aber du, da habe ich nicht den leisesten Zweifel, hast damals nur gefehlt, weil du durch eine schwere Krankheit ans Bett gefesselt warst. Na, war es nicht so? Hab ich nicht recht?«
    »Wirklich, ich … ich kränkelte seinerzeit ein wenig«, stotterte Trurl verlegen.
    Er hatte sich bereits vom ersten Schock erholt und schämte sich nicht einmal mehr sonderlich; Cerebron, schon zu Lebzeiten ein notorischer Nörgler, war sich auch im Tode treu geblieben, und gerade das bestärkte Trurl in der Hoffnung, auf das unumgängliche Ritual der Verwünschungen und Beschimpfungen werde bald der positive Teil folgen: Großmütig, wie der alte Kauz im Grunde seines Herzens war, würde er ihm schon mit ein paar guten Ratschlägen aus der Klemme helfen. Unterdessen hatte der Verstorbene seine üble Schimpfkanonade beendet.
    »Also, genug davon!« sagte er. »Dein Fehler bestand darin, daß du weder wußtest, was du wolltest, noch wie du es erreichen solltest. Das zum ersten. Zweitens: Die Konstruktion des Immerwährenden Glücks ist ein Kinderspiel, jedoch völlig sinnlos. Dein großartiger Kontemplator ist eine amoralische Maschine, denn Quell seines Entzückens sind in gleicher Weise physische Objekte, wie auch Qualen und Leiden dritter Personen. Will man ein Felizitotron bauen, muß man anders vorgehen. Sobald du wieder zu Hause bist, nimmst du den XXVI. Band meiner Gesammelten Werke aus dem Regal, schlägst Seite 621 auf, und dort findest du die detaillierte Anleitung zum Bau eines Ekstators. Dies ist der einzig gelungene Typ eines Apparats mit Gefühlsleben, und er hat keine andere Funktion, als glücklich zu sein, und zwar l0000mal glücklicher als Bromeo es war, nachdem er den Balkon zum Gemach seiner Geliebten erklommen hatte. Zu Ehren des großen Billion Schiecksbier legte ich die von ihm beschriebenen balkonischen Wonnen meinen felizitologischen Berechnungen zugrunde und erfand den Terminus »Bromeon«, um eine Maßeinheit der Glückseligkeit zu bezeichnen. Aber du, der du dich nicht einmal der Mühe unterziehen mochtest, die Werke deines Lehrers durchzublättern, hast dir so etwas Idiotisches wie diese »Hedonen« einfallen lassen. Ein Nagel im Schuh – wirklich, ein feines Maß für die erhabensten Freuden des Geistes! Na, lassen wir das! Also, mein Ekstator erreicht das absolute Glück vermittels einer vielphasigen Verschiebung im Erfahrungsspektrum, das heißt, es kommt zur Autoekstase mit positiver Rückkoppelung: Je zufriedener er mit sich selbst ist, desto zufriedener ist er mit sich selbst, und so weiter und so fort, bis das autoekstatische Potential eine kritische Höhe erreicht, und sich die Sicherheitsventile öffnen. Denn ohne diese Ventile … weißt du, was passieren würde? Du weißt es nicht, selbsternannter Protektor des Kosmos? Die Maschine, deren angestautes Potential sich nicht entladen könnte, müßte buchstäblich vor Glück platzen! Ja, ja, so liegen die Dinge, mein lieber Doktor Allwissend! Denn die integrierten Schaltungen … doch halt, wie komme ich eigentlich dazu, dir mitten in der Nacht und noch dazu im Grabe liegend, eine Vorlesung zu halten, lies es gefälligst selbst nach! Zweifellos liegen auch meine Werke längst unter einer dicken Staubschicht begraben, irgendwo in der hintersten Ecke deiner Bibliothek oder, was mir noch wahrscheinlicher vorkommt, sie wurden in Kisten und Kasten verpackt und unmittelbar nach meinem Begräbnis in den Keller verfrachtet. Nur weil du deine allerschlimmsten Dummheiten notdürftig reparieren und kaschieren konntest, glaubst du wohl, du seist der gerissenste Bursche in der Metagalaxis, wie? Wo hast du meine Opera Omnia, heraus damit!«
    »Im … im Keller«, brachte Trurl stotternd hervor und log dabei entsetzlich, denn schon vor langer Zeit hatte er den ganzen alten Krempel – drei Fuhren waren es – zur städtischen Volksbücherei bringen lassen. Aber das konnten die irdischen Überreste des
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