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Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
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erschrocken über die eigene Kühnheit. Zu spät, schon begann es im Innern des Grabmals zu rumoren, Strom floß mit leisem Knistern durch sämtliche Leitungen, Relais nahmen unter gleichmäßigem Ticken ihre Arbeit auf, dann ertönte ein tiefes Brummen – und dumpfe Stille trat ein. Trurl vermutete einen feuchtigkeitsbedingten Kurzschluß in dem altersschwachen System und spürte Enttäuschung, aber auch ein wohliges Gefühl der Erleichterung in sich aufsteigen. Im selben Moment jedoch hörte er ein heiseres Krächzen, dann ein zweites, und schließlich ließ sich eine müde, greisenhaft zitternde – und dennoch so vertraute – Stimme hören:
    »Was ist los? Was ist denn nun schon wieder los? Wer hat mich gerufen? Was willst du? Was sollen diese dummen Streiche mitten in ewiger Nacht? Könnt ihr mich nicht endlich in Ruhe lassen? Muß ich denn alle naslang von den Toten auferstehen, nur weil es irgendeinem Strolch und Kyberversager gerade in den Kram paßt? Melde dich endlich! Was, feige bist du auch noch? Na warte, wenn ich erst draußen bin, wenn ich erst meinen Sarg aufgebrochen habe, dann kannst du …«
    »G… Großer Meister! Ich bin’s … Trurl!« stammelte er, verschreckt und eingeschüchtert angesichts dieser wenig freundlichen Begrüßung, dabei legte er den Kopf schief und nahm eine schicksalsergebene Demutshaltung ein, genau die Haltung, welche alle Schüler Cerebrons an sich hatten, wenn es eine wohlverdiente Standpauke setzte; mit einem Wort, er benahm sich so, als sei er innerhalb von Sekunden sechshundert Jahre jünger geworden.
    »Trurl!« krächzte eine rostige Stimme. »Moment mal … Trurl? Aha! Natürlich! Hätt’ ich mir gleich denken können. Bin gleich soweit, du Halunke.«
    Dann war ein schauerliches Knarren, Kreischen und Knirschen zu hören, als sei der Verstorbene dabei, den Deckel seiner Krypta aufzubrechen. Trurl wich einen Schritt zurück und sagte eilfertig:
    »Aber, Herr und Meister! Bitte, das ist doch nicht nötig! Wirklich, Euer Exzellenz, ich wollte doch nur …«
    »Ha? Was soll das nun wieder? Glaubst du etwa, daß ich aus meinem Grabe auferstehe? Unsinn, ich muß nur meine morschen Knochen ein wenig geradebiegen. Ich bin ganz steif geworden. Und dann ist auch das Öl bis auf den letzten Tropfen verdunstet. Mein Gott, überall dieser Rost! Der reinste Schrotthaufen ist aus mir geworden!«
    Diese Worte wurden von einem markerschütternden Quietschen begleitet. Als es endlich vorbei war, ließ sich die Stimme aus dem Grabe erneut vernehmen:
    »Da hast du dir wohl wieder eine schöne Suppe eingebrockt, was? Hast sie verpfuscht, vermiest, verdorben und versalzen und jetzt reißt du deinen alten Lehrer aus seiner ewigen Ruhe, damit er dir aus der Klemme hilft? Hast du Schwachkopf nicht einmal Respekt vor meinen traurigen Überresten, die doch von dieser Welt schon lange nichts mehr wollen? Na ja, dann red schon, rede endlich, wenn du mir selbst im Grabe keine Ruhe gönnen willst!«
    »Herr und Meister!« sagte Trurl, und seine Stimme klang längst nicht mehr so zaghaft. »Wie immer erweist sich dein Scharfblick als durchdringend … Es ist genau so, wie du sagst! Ich habe alles verpatzt … und weiß nicht, wie es weitergehen soll. Aber es ist ja nicht um meinetwillen, wenn ich Euer Spektabilität zu belästigen wage. Ich inkommodiere den Herrn Professor lediglich, weil ein höheres Ziel dies unumgänglich macht …«
    »Eloquentes Wortgeklingel wie überhaupt jegliches Brimborium solltest du dir für andere Gelegenheiten aufheben!« knurrte Cerebron wütend. »Natürlich kommst du nur an meinen Sarg klopfen, weil du ordentlich in der Patsche steckst, außerdem hast du dich bestimmt wieder einmal mit deinem Freund und Rivalen zerstritten, diesem … na, wie heißt er gleich … Klimpazius oder Lapuzius … na, sag schon!«
    »Klapauzius! Ja, wir hatten Streit miteinander«, sagte Trurl eilfertig und nahm unwillkürlich Haltung an, als er derart zurechtgewiesen wurde.
    »Richtig, Klapauzius! Und statt nun das Problem mit ihm zu besprechen, wozu du natürlich viel zu stolz und überheblich, vor allem aber zu dumm warst, wußtest du nichts Besseres zu tun, als den Leichnam deines alten Lehrers in seiner Nachtruhe zu stören. So war es doch, nicht wahr? Na gut, wenn du schon mal hier bist … also, was hast du auf dem Herzen, du Einfaltspinsel? Heraus damit!«
    »Herr und Meister! Es ging mir um die wichtigste Sache im ganzen Universum, nämlich um das Glück aller denkenden
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