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Kuss der Sünde (German Edition)

Kuss der Sünde (German Edition)

Titel: Kuss der Sünde (German Edition)
Autoren: Lara Wegner
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verklärt. „Er ist der schönste Mann, den ich je gesehen habe. Ich wünschte, er käme aus guter Familie und könnte sich einen neuen Anzug leisten.“
    In der Tat, sein Anzug hatte die besten Tage hinter sich und besaß einen altmodischen Schnitt. Hosen und Gehrock waren zu weit, die Strümpfe eher grau denn weiß und die Spitzen seiner Manschetten hingen schlaff h in unter . Trotz dieser Mängel bedachte ihn Juliette immer wieder mit einem koketti e renden Augenaufschlag.
    „Richten Sie Ihren Blick nach vorn , Demoiselle“, forderte er sie auf. „Schu l tern zurück. Nicht an meine Hand klammern. Leicht muss die Berührung sein. Auf einem Ball wechseln Ihre Tanzpartner häufig, daher … “
    Viviane verlor das Interesse und senkte den Kopf. In ihren Fingern ruhte ein feuerrotes, rundes Nadelkissen. Niemand im Grand Mogul würde sein Fehlen bemerken, aber dennoch …
    Weshalb hatte sie es eingesteckt? Sie sollte dazu übergehen , auf Taschen in ihren Röcken zu verzichten, wenn sie immerzu darin etwas vorfand, was dort nicht hingehörte.
    „Sie sind unverschämt, Monsieur Duprey!“
    Schrille Empörung hallte durch den Saal und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf Juliette. Der Tanz war zum Erliegen gekommen, die Melodie holperte und versiegte. Pauline sprang vom Boden auf, und die Brille rutschte dem Musikus von der Nase, sodass er hastig danach greifen musste. Was war geschehen, um Gottes w illen ?
    „Wie soll ich mich konzentrieren, wenn Sie mich unentwegt anglotzen?“, herrschte ihre Schwester den jungen Mann an.
    Mit geröteten Wangen ging Monsieur Duprey auf Distanz. In seinen Augen schwelte stummes Aufbegehren. Sein Brustkorb wogte. „Ich würde mir nie erlauben, Ihnen zu nahe zu treten, Demoiselle“, sagte er gedämpft.
    Abschätzig schnalzte Juliette mit der Zunge. „Meine Eltern bezahlen Sie kaum fürs Herumstehen, Monsieur Duprey. Musik!“
    Viviane hatte zu viel Zeit außer Haus verbracht, um die Rolle der älteren Schwester zu spielen, doch diesmal erhob sie sich von ihrem Sitz und drückte den Rücken durch. Sie war groß und konnte streng sein, sehr streng, wenn es um Ungerechtigkeiten ging. „Juliette, komm bitte zu mir“, bat sie im Ton einer Gouvernante. Gleichzeitig versetzte sie Pauline einen sachten Stoß in den Rücken und senkte die Stimme zu einem Flüstern. „Geh tanzen.“
    Die Musik hob von neuem an, während der Wechsel stattfand. Pauline war glücklich, und der junge Tanzmeister garantiert erleichtert. Von oben herab fasste Viviane Juliette ins Auge.
    „Dein Betragen ist unangemessen“, rügte sie scharf. „Eine Dame behandelt die weniger Begünstigten anständig, anstatt ihnen mit Geringschätzung zu begegnen. Monsieur Duprey macht lediglich seine Arbeit, und er macht sie gut.“
    „Was weißt du denn schon ?“ , giftete Juliette und hob die Stimme. „Er hat ekelhaft feuchte Hände. Als läge mir daran, sie zu halten! Wer weiß, was er alles angefasst hat, bevor er mich berührte.“
    „Wirst du wohl still sein“, zischte Viviane.
    Unbeeindruckt warf Juliette den Kopf zurück. Sie wollte, dass er sie hörte und das hatte er. Obwohl er leise Anweisungen gab und Pauline anlächelte, verkrampften seine Schultern. Juliette bemerkte es und schoss die nächste Spitze auf ihn ab.
    „Seine Finger sind so feucht und schmutzig, dass unser Silberbesteck anla u fen würde. Deswegen darf er auch nicht zum Essen bleiben. Frag Maman, wenn du mir nicht glaubst.“
    Viviane schnappte nach Luft. Für einen Moment fehlten ihr die Worte. Wie konnte ein Mädchen von siebzehn Jahren so boshaft sein? Dazu noch ihre eigene Schwester. Boshaft wie das Volk der Feen, schoss es durch ihren Kopf. Sie schob den Gedanken hastig beiseite.
    „Wahrlich, ich schäme mich für dich. Ich habe dich beobachtet. Dir würde es gefallen , von ihm angeglotzt zu werden , und es enttäuscht dich, weil er gut darauf verzichten kann. Weshalb sollte er auch eine dumme Göre in irgende i ner Weise bewundern?“
    Ein Glucksen mischte sich in die Musik. Monsieur Duprey verwandelte es schleunigst in ein Husten und hielt die Hand vor den Mund.
    „Sie hat völlig r echt . Bravo, Viviane. Bravo!“, mischte sich nun auch Pauline ein und klatschte in die Hände.
    Unbeherrscht stampfte Juliette auf. „Ihr seid gemein! Ich bin ganz sicher nicht diejenige, die sich in dieser Familie schämen muss . Ich nicht!“
    „Meine Damen, meine Damen!“
    Monsieur Duprey hob beschwichtigend die Hände, doch konnte er weder Pauline
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